Kommentar: Willkommen im absurden Zeitalter

Kommentar von Fabian Ekstedt – 22.08.2019 – 4:57 Min.

2016, im Jahr des erfolgreichen Brexit-Referendums, war „postfaktisch“ das Wort des Jahres. Damals sprach sogar die Physikerin und Bundeskanzlerin Angela Merkel davon, dass neuerdings häufiger die Rede davon sei in einem postfaktischen Zeitalter zu leben. Mittlerweile sind einige Jahre vergangen und man kann das Gerede von „Fake News“, Lügenpresse und wütenden, potentiell russischen, Trollen langsam nicht mehr hören. Die Presse und Medien haben sich zwischenzeitlich damit abgefunden, dass sie all diejenigen die im Internet wüten, wohl so schnell nicht mehr einfangen werden. Stattdessen betreibt man heute Löschung und Verfolgung von strafrechtlich relevanten Kommentaren. Dem Rest gibt man das Gefühl gehört zu werden, indem man über Twitter und Facebook-Debatten berichtet, die von vielen verfolgt werden. So wird einerseits die Masse an Menschen, die sich im Internet aufregen, erreicht und zumindest ansatzweise wertgeschätzt. Andererseits verkaufen sich Werbeplätze natürlich besser, wenn selbst die irrelevanteste Lokalnachricht darüber, dass irgendjemand im Aldi über eine hervorstehende Palette gestolpert sei, in den sozialen Netzwerken weiter geteilt und geklickt wird.
Die wirklich relevanten Nachrichten werden dagegen immer absurder. Spätestens seit Trump ist das politische Tagesgeschäft im absurden Zeitalter angekommen. Schlagzeilen über Schlagzeilen lassen einen verwundert die Augen reiben. Bei Trump aktuell: Trump will Grönland kaufen. Trump sagt Staatsbesuch ab, weil Mette Fredriksen gemein war. Mehr dazu würde zu weit führen.
Auch die deutsche Politik führt zu immer absurderen Schlagzeilen. Man denke nur an die Äußerungen einiger AfDler im aktuellen Wahlkampf in den neuen Bundesländern: AfD: Eklat bei Fragestunde mit Schülern – Kinder attackiert. Und natürlich nicht zu vergessen das Rumgeschwurbel um die Leugnung des Klimawandels. Aber die AfD ist nicht die einzige die mit Absurditäten aufwarten kann. Erinnern wir uns an Horst Seehofer, der, als Teil der Regierung, von einer aktuellen Herrschaft des Unrechts sprach. Oder an Markus Söder, der vom Scharfmacher zum Geläuterten geworden ist. Die Bayern sind natürlich schon immer absurd gewesen. Beispielsweise der ehemalige bayerische Forstminister, Helmut Brunner, der im Amt davor warnte in Wäldern nicht zu zündeln, selber aber 2015 beim Verbrennen von Gartenabfällen einen Waldbrand verursachte. Auch die Grünen und die SPD sind in Bayern nicht davor gefeit, sich in Absurditäten zu verrennen. So konnten sie innerhalb eines Jahres ihre Haltung zum Vorschlag den Klimaschutz in die bayrische Verfassung zu schreiben um 180 Grad wenden, weil diesmal der Vorschlag von der CSU kam.
Brauchen Sie weitere Beispiele für die Absurdität dieser Zeit? Im Angebot hätten wir da noch, die Ibiza Affäre, oder, wie Hans-Christian Strache sagen würde, die „bsoffene Gschicht“ die eine Staatskrise in Österreich auslöste.
Das wirklich Absurde an dieser Zeit sind allerdings nicht diese Meldungen, die mal zum Schmunzeln, mal zum Kopfschütteln oder gar zum Aufregen gereichen. Wirklich absurd wird es dann, wenn Leute wie Trump und Co. Lügen und Verharmlosungen verbreiten, die Menschen aktiv in Gefahr bringen und man weiß, dass sie dafür nicht zu Rechenschaft gezogen werden. Während der Pressecodex und die Werbung zumindest Rügen kennt, Leute gegen Verleumdung klagen können, stellen sich heute Politiker hin und Hetzen gegen ihre Mitmenschen.
Trumps verharmlosende Bemerkungen zu den hassgetriebenen und rassistischen Amokläufen, seine Weigerung die rassistische Gewalt zu verurteilen und das konstante Aufbauen neuer Feindbilder, sind Taten, gegen die ein demokratischer Rechtsstaat vorgehen können müsste.
Und ganz aktuell: Bolsonaro mit seiner nicht durch Fakten sondern nur durch Vorurteile gestützte Behauptung, Umweltorganisationen wären für die Waldbrände im Amazonas verantwortlich.
Dieses Verhalten und diese Anschuldigungen sind absurd. Aber diese Absurdität sickert ein. Sie setzt sich fest in unseren Köpfen, malt Bilder in denen alles andere als das was man direkt kennt, unklar und potentiell gefährlich ist. Die persönliche Meinungsbildung wird durch die Wahl der Geschichten die man lieber glauben möchte eingeschränkt. Übrig bleibt eine absurde Welt. Diese Welt ist sowohl als auch…. Sowohl fortschrittlicher denn je als auch auf dem Weg weg vom Zeitalter der Aufklärung. Wir haben sowohl Zugriff auf die meisten Informationen auf die je ein Mensch zugreifen konnte als auch eine Masse an Menschen, die nicht gewillt sind ihre Informationsquellen regelmäßig zu wechseln oder zu überprüfen.
Passend dazu gibt es immer noch die kontrafaktische Geschichte, die sich fragt, was gewesen wäre, wenn etwas anders passiert wäre. Also fragen wir uns mal, was wäre gewesen, wenn…. Trump nicht Präsident geworden wäre?