
Die Diktatur des Monetariats
Eine Sendereihe von und mit Buchautor Ulrich Seibert
Sendung am Mittwoch, 21.5.2025 um 21:00 Uhr.
Wiederholungen: Do., 22.5., 06:00 Uhr und 15:00 Uhr (DAB+ und Livestream), Sa., 24.5., 20:00 Uhr und So., 25.5. um 11:00 Uhr (beide nur im Livestream)
Erst kürzlich wieder brachte der LINKE-Vorsitzende Jan van Aken im Zusammenhang mit Wohnungsbaukonzernen wie z.B. die Vonovia SE Enteignungen als ein Instrument linker Umverteilungspolitik von oben nach unten in die Diskussion ein. Der Ansatz selbst ist nicht neu und Enteignungen kommen in der Tat als ein probates Mittel auch im politischen Alltag der Bundesrepublik Deutschland regelmäßig zum Tragen, interessanterweise am häufigsten in den unionsgeführten Bundesländern. Zumeist geht es dort um Straßenbauprojekte, Flurbereinigungen oder auch um Hochwasserschutzmaßnahmen. Das Grundgesetz, welches normalerweise Eigentum, egal ob privat genutztes oder Produktiveigentum, schützt, erlaubt das auch explizit in Artikel 14, Absatz 3: „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.“
Und – muss man der Vollständigkeit hinzufügen – diese Art der Enteignung unterscheidet sich ganz fundamental von der Art von Enteignung, wie radikalere linke Gruppierungen sie fordern und wie sie hier in der Sendung analysiert werden soll: Bei den „real existierenden Enteignungen“ in Deutschland werden die Alteigentümer für den Verlust ihres Eigentums in Höhe eines neutralen Verkehrswerts entschädigt. Ein solcher Schritt würde bei der Enteignung von Superreichen nun nicht wirklich Sinn ergeben, denn dann blieben sie unter dem Strich so reich (und mächtig) wie zuvor.
Der ur-linke Ansatz der Enteignung ist also eine völlig andere Sache als das, was wir aus unserem Alltag kennen und was vom Grundgesetz abgedeckt ist. Der Partei „Die LINKE“ ist das auch durchaus bewusst, denn bei ihr findet sich kein Enteignungskonzept zum Umbau des neoliberalen Systems zu einem demokratischen Sozialismus, wie ihn ihr Parteiprogramm vorsieht. Gibt es denn überhaupt konkrete Konzepte oder Zukunftsvisionen, die auf der Basis von Enteignungen funktionieren könnten?
Und in der Tat sind wir da fündig geworden. Als Beispiel haben wir uns ein Konzept von Sahra Wagenknecht aus dem Jahr 2016 etwas genauer angesehen, welches sie in ihrem Buch „Reichtum ohne Gier“ (Campus Verlag, Frankfurt / Main) beschreibt: Eine Wirtschaft, in der Unternehmen im Wesentlichen in vier verschiedenen Rechtsformen existieren:
- Die klassische Personengesellschaft, die allen Chancen und Risiken des Marktes unterworfen ist und die ohne staatliche Hilfen / Rettungsaktionen auskommen muss.
- Die Mitarbeitergesellschaft, in der das Eigentum den Beschäftigten, die auch die Geschäftsführung kontrollieren, gleichsam gehört. Sie sind es also, denen auch die Gewinne zufließen.
- Die Öffentliche Gesellschaft, die mit öffentlichen Geldern speziell kapitalintensive Branchen (z.B. Kfz-Industrie, Telekommunikation), in der üblicherweise Monopole oder Oligopole agieren, bewirtschaften soll.
- Die Gemeinwohlgesellschaft, die nicht auf Gewinnerzielung abstellt, sondern einen genau definierten Versorgungsauftrag innerhalb der Daseinsvorsorge zu erfüllen hat.
Nun, wir wissen, dass die Autorin sich mittlerweile aus dem eindeutig linken Spektrum verabschiedet hat und dass sie, bzw. ihre neue Partei, jetzt auf Keynesianismus setzt, anstatt auf demokratischem Sozialismus; aber zu jener Zeit, als sie das geschrieben hatte, war sie Fraktionsvorsitzende der Linkspartei und man muss demnach davon ausgehen, dass sie damals die grundlegenden Ziele ihrer Partei durchaus geteilt hat.
Anhand dieses Modells wollen wir uns in der Sendung ansehen,
- ob Enteignung überhaupt eine praktikable Lösung sein kann,
- welche Voraussetzungen erfüllt sein müssten, damit Enteignungen überhaupt durchführbar wären,
- ob diese überhaupt mit dem Grundgesetz zu vereinbaren wären, denn das Grundgesetz schützt das Eigentum wie gesagt prinzipiell.
- Und: auf welche Weise könnten Enteignungen gegebenenfalls rechtsstaatskonform durchgesetzt werden?
Und ja, es gibt eine Form der Enteignung, die absolut grundgesetzkonform und üblich ist, ja, die sogar täglich millionenfach praktiziert wird: Die Enteignung seitens des Staates über Steuern und Abgaben, mittels derer der Staat seine Aufgaben erfüllt. Dass bei beiden Feldern, Steuern und Abgaben, Reiche und Superreiche deutlich besser wegkommen als alle anderen in der Gesellschaft, ist von den neoliberalen Akteuren gewollt und ihre Handlanger, die neoliberalen Parteien von der SPD über die GRÜNEN bis zur Union und der FDP (und erst recht die ultra-neoliberale AfD) unterstützten diese Interessen mittlerweile seit vielen Jahrzehnten aktiv bis pro-aktiv.
Doch das könnte sich aktuell ändern. Gerade formt sich national wie international ein breites Bündnis wichtiger NGOs wie Oxfam, attac, Greenpeace, 350.org, Extinction Rebellion, den Gewerkschaften und vielen anderen mehr zu einer breiten Front für die Besteuerung von Superreichen unter dem Slogan „Tax Their Billions“ von 350.org. Dieses Bündnis könnte es in der Tat im Kreuz haben, eine breite Bewegung anzuschieben, die massiven Druck auf die Politik ausüben könnte, mit dem Ziel, endlich eine gerechte Besteuerung durchzusetzen. Hier sind ein paar Ideen, wie solch eine Besteuerung aussehen könnte
- https://www.vsa-verlag.de/uploads/media/www.vsa-verlag.de-AttacBasisTexte-59-Hentschel-Eibl-Steuer-Revolution.pdf
- https://www.attac.de/kampagnen/wer-zahlt/unser-steuerkonzept
- https://www.attac.de/presse/detailansicht/news/tax-the-rich-bundestagspetition-fuer-vermoegensteuer-1
- https://www.attac.de/ziele/steuergerechtigkeit
- https://www.wiwo.de/finanzen/geldanlage/vermoegensverteilung-studie-beweist-superreiche-zahlen-weniger-steuern-als-der-mittelstand/29764214.html
- https://350.org/de/tax-their-billions/
- https://www.greenpeace.de/klimaschutz/finanzwende/milliardaerssteuer-superreichensteuer
- https://www.oxfam.de/ueber-uns/publikationen/superreiche-gerecht-besteuern
Durch die Sendung führen Catherine-Sophie Hauswirth und Ulrich Seibert.