In Erinnerung an den Filmemacher Karl Gass, der am 29.1.2009 verstarb, zeigt das Filmmuseum am Donnerstag, dem 29. April 2010, um 19.00 Uhr ein Dokumentarfilmprogramm zum Thema „Deutschland“. Anschließend diskutieren Christel Gass und die Filmemacher Winfried und Barbara Junge. Die Moderation führt Gregor Gysi.
Karl Gass (geb. 1917 in Mannheim) war ein deutscher Regisseur für Dokumentarfilme, Reportagen und Porträts sowie in verschiedenen administrativen Funktionen im Filmbereich tätig. Er zählte mit seinen über 120 Werken zu den wichtigsten Dokumentarfilmern in Ostdeutschland und galt als Wegbereiter des DEFA-Dokumentarfilms.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war er als Wirtschaftsredakteur beim damaligen NWDR tätig, wo man ihm Nähe zur KPD vorwarf. Karl Gass siedelte 1945 von Köln in die damalige „Sowjetische Besatzungszone“ (SBZ) über, arbeitete dann in Ost-Berlin beim Berliner Rundfunk und produzierte Reportagen. Ab 1950 arbeitete er auch für die Wochenschau DER AUGENZEUGE. 1962 drehte er seine erste abendfüllende Dokumentation SCHAUT AUF DIESE STADT – ein Film über West-Berlin, die Gründe für den Mauerbau aus Sicht der DDR und die Reaktion darauf. Mit der Dokumentation FEIERABEND (1963–1964) über die Arbeit und Freizeit von Bauarbeitern zeigt er sich kritisch und jenseits des zu dieser Zeit geforderten „Sozialistischen Realismus“.
International besonders erfolgreich war sein mehrfach preisgekrönter Dokumentarfilm DAS JAHR 1945 (1985) über die letzten 128 Tage des Zweiten Weltkrieges, der mit über zwei Millionen Zuschauern als erfolgreichster DEFA-Film des Jahres 1985 gilt.
Karl Gass verstand sich als Polemiker, als Ankläger. Das Mittel hierzu war das Genre der Dokumentation, die nackte Wahrheit, die Wirklichkeit des Lebens, mit der er die herrschenden Verhältnisse anprangerte.“ (Gregor Gysi)
WENN ICH ERST ZUR SCHULE GEH’… – DDR 1962 – R+B: Winfried Junge, nach einer Idee von Karl Gass – Kommentar: Karl Gass – 13 min – Der Grundstein für das Langzeitbeobachtungsprojekt DIE KINDER VON GOLZOW.
NATIONALITÄT: DEUTSCH – Deutschland 1990 – R+B+Kommentar: Karl Gass – Regieassistenz: Christel Gass – 88 min – Der letzte Film von Karl Gass ist das Porträt des Dorfschullehrers und Kantors Albert Linnecke (1898-1954), der in einem kleinen Ort in der Altmark unter verschiedenen Systemen unterrichtet hat und seinen Schülern immer wieder ein neues Weltbild und eine neue Ideologie vermitteln musste. Sein Leben erstreckt sich über drei Gesellschaftssysteme hinweg – von der Weimarer Republik über den Nationalsozialismus bis zur DDR. Der Film, der nur wenige Monate nach Öffnung der innerdeutschen Grenze uraufgeführt wurde, zeigt kritisch, inwieweit Menschen in der Lage sind, sich den jeweils herrschenden politischen Systemen anzupassen.