Ein Mann schlägt verzweifelt mit einer Axt auf ein Plakat mit einem Gerhard Schröder-Motiv und der Überschrift „Agenda 2080“ ein. Dabei wird er von zwei Polizisten beobachtet, die gerade in ihrem Polizeiauto picknicken. Der erste Polizist: „Sollten wir da nicht was machen?“ Der zweite Polizist: „Aber der [Schröder] ist doch gar nicht mehr an der Macht.“
Warum der Mann auf Schröder einschlägt, zeigt der Film „Die Entbehrlichen“ in der nun beginnenden Rückblende.
Der Film ist das Debüt von Andreas Arnstedt als Kino-Regisseur. Er schrieb auch das Drehbuch und war Produzent seines Films.
Andreas Arnstedt sagt über seinen Film: „DIE ENTBEHRLICHEN ist das Porträt einer chancenlosen Familie, wie es sie in unserer Gesellschaft schon jetzt zahlreich gibt und zeigt auf, wie sich durch die Veränderung der sozialen Situation das Miteinander dramatisch verändert hat. An jenen Orten, wo der Traum einer Karriere und das Streben nach einem hoch bezahlten Job keine Rolle spielen, sondern wo es um das nackte Überleben geht, entstehen die Verhältnisse, in denen unsere Charaktere leben und handeln und den propagierten Anspruch der Leistungsgesellschaft von sozialer Gerechtigkeit widerlegen.“
„Die Entbehrlichen“ sind ein Mann, eine Frau und deren gemeinsames Kind Jacob mit dem kaum als „Nomen est omen“ gemeinten Nachnamen „Weiss“. Im schmuddligen Grau des Unterschichten-Berlins versuchen die drei ihr Leben im Griff zu haben und – wenigstens ab und zu – glücklich zu sein. Dabei wird sehr viel Alkohol getrunken, gedemütigt und geprügelt.
Jacob kommt in der Schule nicht mit und bekommt das Geld für den Schulausflug nicht. Doch er hält mit unbedingter Liebe zu seinen Eltern. Der Vater schlägt seinen Sohn als der meint, dass das Wort Straße anders geschrieben würde als der Vater es glaubt. Der Mann schlägt seine Frau, weil sie nicht so funktioniert wie er es will. Frau Weiss versucht, sich durch Notlügen zu schützen und zu retten.
Die Lichtblicke in Jacobs Leben sind seine Großmutter und seine Schulfreundin Hannah Wehr(!) aus „gutem Hause“. Jacob und Hannah verbindet eine spröde und zarte Beziehung.
Hannah wird von einem Mädchen aus ihrer 5. Klasse gefragt, warum sie sich mit so einem abgebe, der wäre doch ein Assi. Darauf Hannah: „Aber er ist gut im Bett.“
Jacob findet beim Nachhausekommen seinen Vater auf dem Boden schlafend vor. Er scheint einen seiner vielen Räusche auszuschlafen …
Herr Weiss wird sich zwischen seinen Erwartungen und der „Realität“ verlieren.
Frau Weiss wird eine wichtige und schmerzliche Entscheidung für ihr Leben treffen (müssen), um einfach ganz profan am Leben bleiben zu können.
Die erwachsene Stimme von Jacob im Off des Abspanns erzählt, wie sein weiteres Leben verlaufen wird. Er wird „entbehrlich“ bleiben.
Oskar Bökelmann spielt den Jacob Weiss mit tiefen Augenringen und einer großen Grundtraurigkeit, aber auch mit einem stoischen Überlebenswillen.
André Hennicke ist sehr überzeugend in seiner Rolle als Jürgen Weiss. Er hat mehrere Auszeichnungen dafür erhalten. Merkwürdigerweise einmal als „bester Hauptdarsteller“ und einmal als „bester Nebendarsteller“.
Steffi Kühnert spielt die Silke Weiss, die sich in sanfter Weise wild und heimlich aufbäumt. Ihr wird eine Chance gegeben.
Ein guter und erschütternder Film. Aus dem Kino kommend bleibt das eigene Gefühl, irgendwo auf dieser Welt erwünscht und wenigstens ein bißchen „wichtig“ zu sein.
Die Website des Films „Die Entbehrlichen“
In München wird der Film ab dem 30. September 2010 in den Museum Lichtspiele in der Lilienstrasse 2 gezeigt.