Die neue Siemens-Geschäftsführung kümmert sich um ihren guten Ruf an der Börse und der Betriebsrat sieht dadurch sein Ansehen beschädigt

Siemens hat seine Führung in Management und Aufsichtsrat ausgewechselt. Kaum im Amt, verkündet sie, dass sie weltweit 15.000 Arbeitsplätze abbauen wird, und zwar als Verwirklichung des schon vom alten Vorstand ausgerufenen, aber bislang nicht konsequent durchgezogenen Sparprogramms „Siemens 2014“ – Massenentlassungen stehen also an. Das ist zum einen eine klare Ansage an die Siemensianer, worauf sie sich gefasst machen müssen. Zum anderen richtet sich diese Meldung an einen Adressaten, auf den es in anderer Hinsicht entscheidend ankommt: ans Finanzkapital. Die anvisierten Spar- und Umbaumaßnahmen soll die Börse als Signal nehmen, dass der Konzern nach dem Wechsel an der Spitze gut aufgestellt und für den Konkurrenzkampf mit General Electric und anderen Technologiekonzernen gerüstet ist. Dabei ist die Zahl 15 000 ganz und gar nicht unwichtig, soll doch allein schon die Quantität Banken und andere Investoren davon überzeugen, wie dynamisch Siemens seine Offensive startet. Nebenbei eine Klarstellung über den Fetisch ‚Arbeitsplatz‘, dem alles unternehmerische Bemühen doch „eigentlich“ zu dienen habe: Der massenhafte Stellenabbau ist der Glaubwürdigkeitsbeweis, dass man mit Siemens auch in Zukunft enorme Geschäfte machen kann, und er steht dafür, dass der Konzern es ernst mit dem Versprechen meint, durch satte Personaleinsparungen die Umsatzrendite zu steigern.

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Der Siemens-Betriebsrat ist mit dieser Ankündigung überhaupt nicht einverstanden und meldet sich empört zu Wort:
„Den Arbeitnehmervertretern wurde nie eine Gesamtzahl über den Abbau bekanntgegeben, daher sind wir überrascht und maßlos verärgert.“
Nicht verärgert ist der Betriebsrat also darüber, dass 15.000 Arbeitsplätze verschwinden, sondern über die Bekanntgabe dieser „Gesamtzahl“. Von deren Veröffentlichung soll nämlich eine Wirkung ausgehen, die der Betriebsrat gar nicht leiden kann. Gesamtbetriebsratschef Lothar Adler:
„Die Meldung über den Abbau von 15 000 Stellen hat mehr Unklarheit als Klarheit geschaffen, weil der Eindruck erweckt wurde, hier handele es sich um ein neues und dramatisches Abbauprogramm. Das hat zehntausende Siemensianer verunsichert.“
Eine völlig unnötige Verunsicherung der Belegschaft, so Lothar Adler, ist doch die neue Zahl gar keine neue Zahl, sondern ein alter Hut, denn: „Das Programm läuft schon seit 2012.“ Selbstverständlich unter Beteiligung des Betriebsrates, der – wie immer – das Schlimmste verhindert hat. Noch einmal Betriebsratschef Adler:
„Ein Abbau nach der Rasenmähermethode ist verhindert worden.“ (SZ v. 30.9.13)
Es ist also alles seinen geordneten innerbetrieblichen Gang gegangen, weswegen es nicht einzusehen ist, warum die Unternehmensleitung diese „Gesamtzahl“ jetzt plötzlich an die große Glocke hängt. Darum, so IG Metall und Betriebsrat, soll sich die Unternehmensleitung gefälligst an das bewährte Verfahren halten:
„Wir erwarten von Siemens ein Bekenntnis zum bisherigen Vorgehen. Das heißt, dass die Information von Mitarbeitern und Betriebsräten an erster Stelle steht, die Verhandlungen vor Ort entsprechend geführt werden.“ (IG-Metall-Vorstand Kerner)
Es ist schon interessant, worüber sich da ein Betriebsrat empört. Nämlich darüber, dass der falsche Eindruck entstehen könnte, diese Massenentlassung würde einfach an ihm vorbei durchgezogen. Offensichtlich kennt so ein Arbeitervertreter keine andere Sorge als die, wie er denn vor seinen Siemensianern und der interessierten Öffentlichkeit da steht. Auf keinen Fall als einer, der im Unternehmen nichts zu sagen hat und mit dem die Geschäftsleitung umspringen kann, wie sie will. Nichts findet er offensichtlich schlimmer, als wenn das Vertrauen der Mitarbeiter in ihre betriebliche Interessenvertretung untergraben wird, weil die Firmenleitung den konstruktiven Anteil des Betriebsrats an der sozialfriedlichen Abwicklung des Sparprogramms unter den Teppich kehrt. Das gefährdet die einvernehmliche Zusammenarbeit mit der Unternehmensleitung, mit Hilfe derer seit 2012 geräuschlos und harmonisch dafür gesorgt wurde, dass die erste Hälfte der Entlassungen nicht mit der „Rasenmähermethode“, sondern – gemäß Adlers Motto: „erst der Mensch, dann die Marge“ – mit Hilfe von Altersteilzeit, Abfindungen, Versetzungen u. dergl. abgewickelt wurde.
So geht also erfolgreiche Betriebsratspolitik: Wenn Arbeitnehmervertretungen mitreden und mitorganisieren, dann sind 15 000 abgebaute Stellen nicht einfach Massenentlassungen, sondern der Beitrag des Betriebsrates zum Vorhaben von Siemens, sich als Global Player mit – offensichtlich auch für den Betriebsrat unabwendbaren – Sparmaßnahmen der internationalen Konkurrenz stellen zu können. Und das – so das Angebot von Adler und seinen IG-Metall-Kollegen – kann die Firma auch weiterhin haben: Sie muss in Zukunft bloß darauf achten, die Arbeitnehmervertretung nicht mit einer missratenen Informationspolitik zu „überraschen“ und zu „verärgern“.