Olympische Winterspiele in Sotchi – Die Öffentlichkeit klärt auf:
Die Welt zu Gast bei Feinden
Die deutsche Öffentlichkeit lieferte vor und auch während der Olympischen Winterspiele in Sotchi einen weiteren Beweis, dass parteiliche Voreingenommenheit – hier: gegen Russland und natürlich gegen Putin – dem Verstand nicht gut tut und, befeuert von dem Willen zum Schlechtmachen, viel Unsinn produziert. Hierzu ein paar Beispiele – eine Menge mehr davon findet sich in der demnächst erscheinenden Ausgabe der Politischen Vierteljahreszeitschrift des Gegenstandpunkt-Verlages – und eine Schlussfolgerung daraus.
Als Erstes schlecht gemacht wurde der Austragungsort: „Winterspiele auf dem Breitengrad von St. Tropez – das klingt nach Absurdistan“. Das ist doch wirklich absurd, vor allem, wenn man mal kurz ausblendet, dass sich neben einem Meer mit Mittelmeerklima ein Hochgebirge mit echtem Schnee befindet! Und wenn man auch die Frage nicht aufkommen lässt, wie es dazu kommen konnte, dass es die Winterspiele mal nach Turin verschlagen hat. Unsere Reporter verstehen es einfach nicht, warum Russland seine Winterspiele in einer „atemberaubend schönen Landschaft“ ausrichten und damit die Welt beeindrucken will. Rätsel über Rätsel, “warum ausgerechnet hier, an Russlands wärmsten Flecken, das neue Wintersportzentrum des ja auch über reichlich Dauerfrost verfügenden Riesenlandes installiert werden musste.“ (SZ 4.02.) Sie hätten ihre Winterspiele doch auch bei 40 Grad Minus abhalten und die Abfahrtspisten in der platten sibirischen Taiga aufstellen können. Aber wenn dann doch trotz Mittelmeer „450 000 Kubikmeter Schnee“ vorhanden, nämlich „unter Sägespänen“ gebunkert worden sind, spricht auch das Bände, im Alpenraum haben wir dafür schließlich Schneekanonen.
Dann die gigantischen Sportanlagen: Wo andere Veranstalter Olympiaden ganz unauffällig und in bescheidenem Maßstab entwickeln, alte Stadien benutzen und bloß der Natur nicht zu nahe treten, wie man aus den Planungen für Garmisch ja noch gut weiß, da klotzen die Russen wie die Blöden und stellen eine niegelnagelneue Sportlandschaft in die Region und verbrauchen dafür auch noch Baumaterial! Zweimal soviel Stahl wie im Eiffelturm soll in der Eishalle stecken, deckt die Süddeutsche Zeitung auf, ein Skandal, auch wenn man davon absieht, dass man im Eiffelturm schlecht Eishockey spielen kann.
Und während im Großen geklotzt wird, passiert im Kleinen ein Unglück nach dem anderen. Jede Lappalie wird ausgewalzt für die immer gleiche Botschaft: Die Russen können’s nicht! Wieder die Bild-Zeitung:
„Die Russen bauen bei Olympia nicht nur alles in Rekordzeit auf – einiges fällt auch in Rekordzeit wieder auseinander! Gestern, 11 Uhr, in Sotschi. Russlands Vize-Premierminister Dimitri Kosak (55) schreitet ans Rednerpult. Er legt seine Zettel ab, die Hände daneben – rumms! Die Plexiglas-Konstruktion kracht vor ihm zusammen. Hallo, Herr Putin! Geht hier in Russland alles so schnell kaputt?“ (Bild, 4.2.)
Was die Russen aber gut können, ist: sich bereichern:
„Sotschi ist ein Bereicherungsprogramm für die russische Elite. Neben dem Staat sind es vor allem Staatskonzerne und wenige auf politisches Wohlwollen hoffende Magnaten, welche die Investitionen tätigen – häufig mit von einer staatlichen Entwicklungsbank geliehenem Geld. Nutznießer sind mit dem Kreml eng verbundene Firmen… Sotschi hätte ein visionäres Projekt mit vielen Pluspunkten werden können… Doch Russland hat großes Talent, einfache Dinge zu verkomplizieren.“ (a.a.O.)
Während bei uns eine Olympiade in Garmisch ein Segen für die einfachen Menschen gewesen wäre, nämlich Jobs geschaffen hätte, die dann entstehen, wenn sich Privatfirmen lukrative Bauaufträge an Land ziehen, die die öffentliche Hand mit Krediten finanziert, geht es in Russland „komplizierter“ zu: Da zieht erstens eine „Elite“ Bauaufträge an Land, mit denen sie sich „bereichert“. Da machen zweitens nicht ehrbare Unternehmer Visionen wahr, sondern undurchsichtige „Magnaten“. Die kaufen sich vor allem „politisches Wohlwollen“ und das drittens nicht einmal mit eigenem Geld, sondern mit Kredit. Wo gibt’s denn sowas. Bauaufträge werden dann noch an „Staatskonzerne und wenige Magnaten“ vergeben – die sind zwar das Rückgrat der russischen Wirtschaft, aber das vergessen wir jetzt mal. Und wenn die schon so heißen, spricht das nur für Freunderl-Wirtschaft und Kreml-Amigos, während bei uns Sponsoren ehrenamtlich, ohne jede Berechnung und ohne jeden Kontakt zur politischen Führung bei so einer guten Sache automatisch dabei sind.
In Russland aber betreibt die „Elite“ nur die eigene Bereicherung, rücksichtlos auf Kosten der einfachen Menschen:
„Liegenschaftsbesitzer wurden enteignet, Einwohner für neue Gas- oder Stromanschlüsse mit astronomischen Preisen zur Kasse gebeten. Ausländischen Arbeitern, in Heerscharen auf die Baustellen geholt, werden Löhne vorenthalten. Sie haben keine Rechte; wer sich bei der Polizei beschwert, darf froh sein, wenn er nur ignoriert und nicht bestraft wird. Man darf auch vermuten“ – in Russland darf man mit Bestimmtheit alles vermuten, was einem einfällt – „dass auf den Baustellen, wo unter Hochdruck die Fertigstellung erzwungen wird, viele Menschen verunglückten.“ (FAZ, 24.12.)
Enteignungen zugunsten öffentlicher Bauvorhaben gibt es bei uns einfach nicht; Preissteigerungen bei Gas und Strom nur mit Augenmaß und für den guten Zweck der Energiewende; ausländische Arbeiter genießen die größte öffentliche Aufmerksamkeit, ob sie auch wirklich Arbeiter sind und nicht nur Armutstouristen und Einwanderer in unsere Sozialsysteme. Und die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen fallen schließlich in die Zuständigkeit von Subunternehmern, so dass keine Unfallstatistik vorliegt.
Auch in der Sicherheitsfrage kann Russland nur Fehler machen. Einerseits wird bemängelt, dass die Spiele in einem Belagerungszustand mit einer solchen Überwachungsoffensive durchgeführt werden, dass bei den armen Sportlern gar keine Stimmung mehr aufkommen kann. Es ist zwar nicht bekannt, dass Sportlern damals in London bei den Spielen die Laune durch die dortigen Patriot-Stellungen oder die Luftüberwachung der Awacs-Flieger verdorben worden wäre, aber hier in Sotschi sind die Kontrollen eine einzige Zumutung an das freie Party-Gefühl aller Beteiligten. Andererseits macht Russland in Sachen ‚Sicherheit‘ viel zu wenig: Seine Sicherheitsmaßnahmen taugen gar nichts, wenn es mal zum Ernstfall kommt. Deswegen muss die amerikanische Armee zwei Schiffe ins Schwarze Meer schicken, entsprechende Agenten an Land und dazu noch ein paar private Spezialkommandos, womit nebenbei auch klargestellt wird, wer auf dieser Welt wirklich zuständig und fähig ist, wenn ausländische Sportler abgesichert werden sollen.
Usw. usf.
Egal, an welcher Stelle die Berichterstattung loslegt: Sie landet immer bei der Denunziation des Veranstalters. Was dem westlichen Medienapparat an Sotschi auffällt, könnte ihm ebenso gut bei sämtlichen internationalen Monster-Sport-Events und sonstigen staatlichen Repräsentationsorgien auffallen. Es ist eben gar nicht Pomp und Protz, mit dem solche Veranstaltungen abgewickelt werden, nicht der Umweltschaden oder die Zumutungen an die Bevölkerung, die sie kritisch machen. Es ist umgekehrt: Dieser Veranstalter ist es, der ihnen nicht passt. Und deshalb strengen sie ihren gesamten schematischen Einfallsreichtum an, was Missstände aller Art betrifft, richten die geballte Aufmerksamkeit auf Hotelausstattung und Schneemangel, zählen alle Schandtaten zusammen, die man Russland seit Zarenzeiten nachsagen kann, um diesem Staat die Veranstaltung zu versauen.
Aber – so eine interessante Warnung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: Beim Übertreiben muss man auch aufpassen, denn „viele Russen empfinden die Berichterstattung als unfair – manche glauben, dass sie die Nation und Kremlchef Putin eint“ (Tagesspiegel, 13.2.) Man muss aufpassen, dass man den so genannten „Kreml-Medien“ nicht in die Hände spielt:
„Die Kreml-Medien haben schon erkannt, dass Berichte über die Mäkeleien an zwei Toilettensitzen in einer Kabine ein wunderbares Mittel sind, um die Kritik an diesen Olympischen Spielen zu diskreditieren.“ (FAZ, 12.02.2014)
Da muss die Öffentlichkeit zur Kenntnis nehmen, dass die Russen – entgegen allem, was sie ihnen nachsagt – in der Hauptsache weniger Putin-Kritiker als Nationalisten sind und dass Nationalisten schnell beleidigt sind, wenn das Ausland ihre nationalen Großtaten schlechtredet. Das gerät dann laut FAZ aber auch nur deshalb zum Problem, weil die „Kreml-Medien“ die gut gemeinte westliche Hetze schamlos ausnützen!
Mit ihrer Sorge, dass sich die Sotschi-Hetze in Russland kontraproduktiv auswirken könnte, nämlich als Hebel, um Volk und Führung zusammenzuschweißen, stellen die Autoren dankenswert deutlich klar, dass es ihnen aufs Gegenteil ankommt: darauf, Volk und Führung in Russland auseinanderzubringen und die unangenehme Stabilität dieser Herrschaft nach Möglichkeit zu untergraben. Eine Aufgabe, bei der sich die Öffentlichkeit schließlich auch nur als freiberufliches Sprachrohr der Politik betätigt.
Von der hat sie ja genügend Signale erhalten, wie diese Olympiade einzuordnen ist. Mit diplomatischen Kundgaben, wer warum nicht hingeht, mit der demonstrativen Entsendung homosexueller Sportler und ähnlichen Provokationen haben die Führungsspitzen der westlichen Welt frühzeitig die nötigen Klarstellungen geliefert. Und warum sie Putins Russland so wenig leiden können, dass sie ihm am liebsten jede Anerkennung versagen möchten, daran haben sie ja auch keine Zweifel gelassen: Dass es im letzten Jahr internationale Erfolge erzielt haben soll, sich in Affären wie Syrien, Snowden, Ukraine eine eigene weltpolitische Rolle anmaßt, ist einfach unerträglich. Da ist so ein Sportspektakel der passende Stoff, um die Klimaverschlechterung zu produzieren, die sie in ihren Beziehungen zu Russland für angebracht halten, um das Land auf seine nachgeordnete Stellung hinzuweisen. Das reicht dann schon, um unsere freie Presse im Fach Feindbildpflege zur Hochform auflaufen zu lassen.