Kapitalistische Standortsicherung und imperialistische Konkurrenz um den Weltenergiemarkt
Wegen des ‚Klimas‘? Wegen der ‚Umwelt‘? Wegen der ‚knappen Ressourcen‘?
Zeit: Dienstag, 13.05.2014, 19.00 Uhr
Ort: EineWeltHaus München, Schwanthalerstr. 80 RGB, Großer Saal E01
U-Bahn-Haltestelle Theresienwiese U4/5
Die Bundesregierung erklärt den Erfolg der Energiewende zu einem herausragenden Punkt ihrer Agenda:
„Die Energiewende ist ein richtiger und notwendiger Schritt auf dem Weg in eine Industriegesellschaft, die dem Gedanken der Nachhaltigkeit und der Bewahrung der Schöpfung und der Verantwortung gegenüber kommenden Generationen verpflichtet ist.“ (Eckpunkte für die Reform des EEG, Bundesregierung)
Hohe Ziele also, denen sich da die Politik verschreibt. Diese Ansage enthält allerdings zwei bemerkenswerte Eingeständnisse: Offenbar sorgt die „Industriegesellschaft“, das vorbildliche System marktwirtschaftlicher Vernunft, die hochgelobte Konkurrenz auf den Märkten, die sonst alles „viel effizienter regeln“, als die Politik es je könnte, von sich aus überhaupt nicht für die nötigen Rücksichten auf die natürlichen Grundlagen des gesellschaftlichen Lebens, sondern wirtschaftet mit ihnen derart rücksichtslos, dass die auf Generationen hinaus im globalen Maßstab bedroht sind. Offensichtlich, so dass zweite Eingeständnis, muss den Unternehmen mit ihren Kalkulationen solche Rücksicht und ‚Verantwortung‘ von Seiten der politischen Herrschaft erst mit den Mitteln gesetzlichen Zwangs aufgenötigt werden – und hat die Politik bis dahin jedenfalls für ein Einhalten der eigentlich selbstverständlichen Vorsorgegesichtspunkte für die ‚Zukunft‘ nicht gesorgt.
Wenn sich die Regierung näher über die unverzichtbare Energiewende äußert, kommen dann ganz andere, profanere Bedingungen und Ziele zur Sprache, auf die Energiepolitik Rücksicht zu nehmen hat und die mit den menschheitsdienlichen Klima- und Umweltschutzabsichten zugleich vorankommen sollen: Die Energiewende, so das politische Versprechen, macht
„unser Land und seine Volkswirtschaft unabhängiger von knapper werdenden fossilen Rohstoffen, ist wesentlich für einen angemessenen Beitrag Deutschlands zum Klimaschutz und schafft neue Wachstumsfelder mit erheblichen Arbeitsplatzpotenzialen. Die Energiewende verbindet damit wirtschaftlichen mit sozialem und ökologischem Erfolg“ (ebd.)
Auch das eine bemerkenswerte Auskunft: Rücksicht auf die Knappheit der fossilen Rohstoffe übersetzt sich für die politischen Planer offensichtlich umstandslos in ein Problem nationaler ‚Unabhängigkeit‘, nicht der Schonung also, sondern der gesicherten, freien Verfügung über Energieressourcen. Alternativen braucht es nicht für einen besseren Umgang mit der Natur, sondern Alternativen für das nationale Standortbedürfnis nach gesicherter Energieversorgung. Die nationale Sorge kennt aktuell deswegen auch eine ganz andere Bedrohung als die beschworene natürliche Knappheit fossiler Brennstoffe: die ‚Russen‘. Ist das Land und seine Wirtschaft mit ihrer Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen eigentlich frei und unabhängig genug bei der Versorgung mit all der Energie, die der nationale Standort und die Wirtschaft für ihr Wachstum unbedingt brauchen?
Energiepolitische Vernunft und Rücksicht auf die Zukunft – so die Energieplaner – muss sich zweitens national rechnen: Klimaschutz, knappe Ressourcen usw. das alles übersetzt sich in die Rechnung auf zukunftsträchtige ‚Wachstumsfelder‘, in nationale Geschäftsaussichten, die das Umsteuern lohnend machen und wirtschaftlichen Erfolg garantieren sollen. Die energiepolitische Wende soll und muss und – so das Versprechen der Veranstalter – wird sich lohnen: nicht für die Regenwälder, für die nachkommenden Generationen, sondern aktuell für das deutsche Wirtschaftswachstum. Da geht es nicht bloß um kostengünstige Alternativen, die Braunkohle und Atomkraft in nichts nachstehen dürfen, also um die Energieverbraucher, die bei ihren Kalkulationen mit Kosten und Ertrag ihren Energieverbrauch als Kost verbuchen, die ihre Konkurrenzfähigkeit nicht beeinträchtigen darf. Da geht es um den Erfolg der großen Energieunternehmen, die mit der nationalen und inzwischen europaweiten Energieversorgung ihr Geschäft machen; um die Industrie, die mit den neuen Technologien die Marktführerschaft im national und international wachsenden Energiemarkt erobern will und soll. Lohnen soll sich die Energiewende also für genau die Adressen und nach den Kosten- und Ertragsrechnungen, die für den wenig menschen- und umweltbekömmlichen Umgang mit Energiequellen, den Raubbau an der Natur und für eine ungesunde Umwelt gesorgt haben.
Wenn die Bundesregierung mit ihrer nationalen Energiewende dabei gleich den ganzen Globus in den Blick nimmt, sich auf Konferenzen für ihre Alternativen als Modell globaler Verantwortung für andere Staaten stark macht, deren energiepolitische Unvernunft beklagt, mit der ‚wir‘ leider zu rechnen haben, dann ist auch das kein besorgtes Plädoyer für mehr globale Klimavernunft. Das Plädoyer verdankt sich den Sorgen um das Gelingen dieses internationalen Konkurrenzprogramms. Da sind dann Bewegungen des Ölpreises, amerikanische Fracking-Erfolge und chinesische Solarzellen-Konkurrenz die Bedrohungen, die zählen, und nicht die statistischen Erhebungen über den wachsenden CO2-Ausstoß hier und anderswo.
Für all das hat Energiepolitik mit staatlichen Vorgaben, politischer Förderung und politischen Marktregelungen zu sorgen. Anders, so die Auskunft, geht Energiepolitik hierzulande vernünftigerweise nicht. Und wenn das alles die politischen Gesichtspunkte, die selbstverständlichen Perspektiven und unhintergehbaren Bedingungen einer gelungenen Energiewende sind, dann sind es eben auch die leitenden Zwecke, denen die Energiepolitik dienen will und dient.
Solcher Art sind dann aber auch die Widersprüche, Probleme und Friktionen, die das nationale Energiewendeprogramm aufwirft und die die Politik zu Korrekturen bewegen. Technisch betrachtet kommt die Energiewende weg von Kohle, Öl und Gas hin zu ‚erneuerbaren‘ Energiequellen ja gut voran. Windräder, Solarkollektoren und Biogasanlagen produzieren heute schon mehr Strom als geplant. Aber ausgerechnet dieser Fortschritt macht nun Probleme – Probleme, die die Rechnung mit Kosten und Ertrag des nationalen Energiegeschäfts betreffen.
Was im übrigen ‚Mensch‘ und seine ‚Verantwortung‘ für die Zukunft betrifft: Außer einem schlechten Gewissen über seinen ‚ökologischen Fußabdruck‘, darf er seine steigenden Energiekosten an die einschlägigen Konzerne bezahlen. Derweil ‚versöhnen‘ die fürs ‚Klima’ Verantwortlichen ‚Ökologie’ und ‚Ökonomie’ auf etwas andere Art: Sie kümmern sich über die eigenen Grenzen hinaus um eine weltkrisenfeste und in jedem Sinne geschäftstaugliche Energiebasis ihrer Nation und streben nach nationaler Kontrolle über die globalen Ressourcen. Natürlich alles im Namen globaler Umweltpolitik für die betroffene Menschheit und für Arbeitsplätze im eigenen Land.
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