Islamischer Staat gegen Vereinigte Staaten von Amerika und den Westen:
Eine militante Antwort auf die Verwüstung der arabischen Welt und ihre Bekämpfung durch einen neuen Krieg unter US-Regie
Zeit: Dienstag, 27.01.2015, 19:00 Uhr
Ort: EineWeltHaus München, Schwanthalerstr. 80 RGB, U-Bahn Haltestelle Theresienwiese (U4/U5), großer Saal E01
Seit den Anschlägen in Paris steht es fest: Der islamistische Terrorismus ist ‚bei uns‘ angekommen und bedroht alles, was uns teuer und heilig ist; unsere Freiheit, die des Meinens allem voran.
Diese Diagnose hat eine lächerliche Seite: Nach dem Massaker durch zwei fromme Desperados wird ein Satiremagazin in den Rang einer gesamtwestlichen Ikone erhoben, das ansonsten eher ignoriert oder mit Beleidigungsklagen überhäuft zu werden pflegt. Das Recht, seine unmaßgebliche Meinung äußern, sich insbesondere auch betont respektlos über den Glauben an Allah lustig machen zu dürfen, wird aus diesem Anlass in den Rang des Inbegriffs westlicher Aufklärung, unserer Lebensart und Wertegemeinschaft erhoben – so als ob das tägliche Leben im freien Westen tatsächlich dadurch geprägt wäre, dass die Leute miteinander streiten und diskutieren oder gar die geistige Unterwerfung unter selbstgewählte ‚Gottesgebote‘ kritisieren; so als ob nicht jeder wüsste, dass sich das wirkliche Leben in den westlichen Demokratien ums Geldverdienen mit all seinen Nöten und Notwendigkeiten, Gegensätzen und Gemeinheiten im Kleinen, um die beinharte internationale Konkurrenz um nationales wirtschaftliches Wachstum und politische Macht im Großen dreht.
Dass niemand lacht, liegt daran, worauf diese Idealisierung des nationalen, europäischen oder gesamtwest-lichen „Wir“ zielt: auf die moralische Disqualifizierung seiner Gegner. Dass sie die friedliche Einordnung unter ihre wirklichen, nämlich wirklich elenden Lebensumstände in den Niederungen der freien Marktwirtschaft, in französischen Vorstadt- und sonstigen Ghettos verweigern, wirft man ihnen als Gegnerschaft gegen unsere Werte vor. Und das wird umstandslos damit gleichgesetzt, dass sie selbst gleich gar keine Werte, schon gar keine religiösen, haben. Damit steht fest: Es gibt letztlich keinerlei Grund, „gegen uns“ und „unsere zivilisierte Gesellschaft“ zu sein – außer ihrem „blinden Hass“ auf alle Werte, die unsere westliche Gemeinschaft auszeichnen. Diesem Hass müssen „wir“ entgegentreten – das ist die „Schlussfolgerung“, auf die all die Idealisierungen des „freien Westens“ und all die moralischen Dämonisierungen der Attentäter hinauslaufen. Das ist dann tatsächlich alles andere als eine lächerliche Angelegenheit. Denn wenn zum „gemeinsamen Kampf gegen Hass und Intoleranz“ gerufen wird, dann mögen zwar Stifte und Kugelschreiber als Symbol dafür hochgehalten werden; jeder weiß aber, dass diesen Kampf nicht „wir alle“ führen, sondern die Staatsgewalten, und zwar nicht mit Schreibgeräten, sondern mit all ihren überlegenen Mitteln militärischer, polizeilicher, geheimdienstlicher und rechtlicher Gewalt, die unsere staatlich gesicherte Freiheitsordnung gar nicht nur und gar nicht erst für den Kampf gegen den Terror vorsieht und anwendet.
Wo der derzeitige Hauptgegner in diesem Kampf ist, wissen – nicht erst seit den Anschlägen – auch alle, der Anführer des freien Westens hat es nämlich schon vor einiger Zeit verraten – die Anschläge sind das Werk durch eine auswärtige Zentrale des Terrors Verführter und zur Gewalt Angestachelter, das Werk der „Terrormiliz des IS“:
„In diesem Jahrhundert haben wir es mit einer noch mörderischeren, ideologischen Sorte Terroristen zu tun, die eine der größten Weltreligionen pervertiert haben… Sie töten so viele unschuldige Zivilisten wie möglich und wenden die brutalsten Methoden an, um die Menschen in ihrem Umkreis einzuschüchtern… Das sind Extremisten, die nichts aufbauen oder erschaffen können und darum nur mit Fanatismus und Hass hausieren gehen… Kein Gott heißt diesen Terror gut. Keine Unzufriedenheit rechtfertigt diese Handlungen… Es kann keine Verhandlungen mit diesem Bösen geben, man kann ihm nicht mit logischen Argumenten beikommen. Die einzige Sprache, die solche Mörder verstehen, ist die Sprache der Gewalt.“
(Obama-Rede vor der UN-Vollversammlung, 25.09.14)
Was Franzosen und andere Europäer können, das kann der US-Präsident schon lange und auf seine Weise: in den Opfern, die eine gewalttätige Guerilla unter Berufung auf ihren Gott produziert, einen Angriff aufs ideelle westliche „Wir“ entdecken, das damit das höchste Recht und die alles überragende Pflicht hat, den Angriff zu erwidern. Seiner wirklichen Macht gemäß spricht er gleich in ideeller Stellvertreterschaft für die gesamte Menschheit. In deren Namen verabscheut der Führer der Weltmacht, die ja bekanntlich Weltpolitik bevorzugt mit logischen Argumenten und redlicher Überzeugungsarbeit betreibt und gesittet vorgetragener Unzufriedenheit ihr machtvolles Gehör schenkt, jedes gewaltsame Vorgehen. Und davon, dass die IS-Kämpfer die Verwüstungen ihrer arabisch-islamischen Heimatländer durch jahrzehntelange US-Kriege meinen, wenn sie vom „Kreuzzug des Westens gegen den Islam“ reden, hat Obama auch noch nie gehört.
Wieder weiß jeder, dass dieses Gerede über die moralische Verabscheuungswürdigkeit islamistischer Gewalt vor allem eines ist: die Ankündigung eigener Gewalt zur Vernichtung der Gegner. Das sollte man dann aber auch in dieser Reihenfolge ernst nehmen: Das moralische Zerrbild des Kampfes „Gut gegen Böse“, das Obama im Verein mit der westlichen Politik und Öffentlichkeit zeichnet, ist das ziemlich fundamentalistische Feindbild zu einer Feindschaft, von der damit zugleich angekündigt wird, dass sie nicht mit den Waffen der Moral, sondern mit der weltweit schlagkräftigsten Gewaltmaschinerie ausgetragen wird.
Noch überhaupt nicht klar sind damit die wirklichen Gründe dieser Feindschaft, die politischen Zwecke, Interessen und Berechnungen der westlichen Vormacht und ihrer Verbündeten, die mit dieser Ansage beauftragt werden, im Nahen Osten unter amerikanischer Führung einen Störfall ihrer Weltordnung zu erledigen – mit einem Krieg, den der US-Präsident schon mal auf mindestens zehn Jahre ansetzt. Um diese Gründe sollte man sich freilich kümmern. Sonst verwechselt man im Verein mit unserer aufgeklärten Öffentlichkeit die kulturkämpferischen Ansagen aus Washington und den Hauptstädten des Westens mit der Sache, um die es den eingreifenden Mächten, den USA allen voran, bei diesem Kampf gegen eine ‚Geißel der Menschheit‘ geht.