Donnerstag, 23.02.2017, 19:30 Uhr
Diskussionsveranstaltung des AK Gegenargumente
Fortsetzung der Diskussionsreihe über den Sozialstaat
Das öffentliche Gesundheitswesen – Medizin für alle Mitglieder der Klassengesellschaft (Teil II)
In unserer hochmodernen Wohlstandsgesellschaft sind an sich überhaupt nicht lebensbedrohliche Krankheiten existenzgefährdend.
Erstens haben die vielen „Wohlstandsbürger“, die hierzulande Lohn für Leistung beziehen, ohne ihre Gesundheit nichts zu verkaufen und daher nichts zum Leben.
Zweitens paart sich dieser jedermann bekannte Umstand mit der Peinlichkeit, dass eben diese Vielen in aller Regel nicht so viel Einkommen beziehen, dass sie sich im Krankheitsfalle überhaupt die Versorgung leisten könnten, die sie brauchen.
Dass nach der drittens ein dauerhafter, sogar wachsender Bedarf besteht, ist ebenfalls bekannt, genauso wie die Härten eines Erwerbsalltags, von dem alle wissen, dass er „stresst“, „schlaucht“, „ausbrennt“ usw. und insgesamt eine Frage des Aus- und Durchhaltens ist.
Von all dem geht der Staat einfach aus, als ob er sonst nichts damit zu tun hätte. Er organisiert die medizinische Versorgung, so dass zumindest der Durchschnitt der arbeitenden Mehrheit seinem Erwerb überhaupt dauerhaft nachgehen kann. Dabei macht er sich zum Subjekt der Zuteilung von Gesundheitsleistungen und legt, dauernd reformbedürftig, fest, wer worauf einen Anspruch erheben darf. Die Bezahlung dieser Versorgung organisiert er auch, nämlich per Zwang aus den Taschen derer, von deren chronischem Mangel an Geld er ebenfalls felsenfest ausgeht. Und wie es sich in seiner freien Marktwirtschaft gehört, macht er die Wiederherstellung der Gesundheit zu einem stattlichen Geschäft am Standort D, das deswegen seine Finanzierungsquelle systematisch überstrapaziert.
Wer sich an solchen Härten stört und fordert, „Gesundheit darf keine Ware sein“, der unterstellt diesen riesigen Bedarf nach Gesundheitsversorgung. Der geht selbstverständlich davon aus, dass diejenigen, die am dringendsten darauf angewiesen sind, sich die Hilfe in genau dem Maße nicht leisten können, wie sie sie nötig haben. Der akzeptiert, dass ohne die sozialstaatlich organisierte Gesundheitsversorgung das Leben in der Konkurrenzgesellschaft für die Mehrheit der „Wohlstandsbürger“ überhaupt nicht dauerhaft auszuhalten ist, wenn er sich für ein „solidarisches Gesundheitssystem“ stark macht.
Davon halten wir nichts. Für den wirklichen Skandal halten wir nicht die Missstände und Defizite des Gesundheitssystems, sondern dessen Leistungen für das Gelingen einer Konkurrenzgesellschaft, das ohne den gesundheitlichen Ruin ihrer Mitglieder nicht zu haben ist.
Im EineWeltHaus München, Schwanthalerstr. 80 RGB, U-Bahn Haltestelle Theresienwiese (U4/U5), Raum 211/212