Vorläufige Ergebnisse einer Studie aus dem Epidemie-Hotspot im Landkreis Heinsberg (NRW) wurden letzte Woche veröffentlicht. Die Infektionswelle wird auf ein „Superspreading-Event“ (Karnevalssitzung in Gangelt in der Nacht vom 14./15. Februar 2020) zurückgeführt. Bis zum 8. April wurden dort 1527 Patienten positiv auf das SARS-Cov2 Virus getestet und 48 von diesen Patienten starben in den 6 Wochen. 969 Patienten werden inzwischen als geheilt angenommen.
Um die Dunkelziffer der nichtdiagnostizierten Fälle aufzuklären wurde dort eine Feldstudie der Uniklinik Bonn durchgeführt. Hier die wichtigsten Erkenntnisse:
1) auch Menschen, die keine COVID-Symptome entwickeln, können eine Immunantwort auf das Coronavirus aufbauen. In einer repräsentativen Stichprobe wurden bei 15% der Menschen protektive Antikörper nachgewiesen;
2) Der Krankheitsverlauf (Schweregrad der Symptome, Dauer der Inkubationszeit) hängt mit der anfänglich aufgenommenen Virusmenge zusammen;
3) Mortalität der Patienten in ambulanter Behandlung ist mit 0,37% wesentlich niedriger als der internationale Durchschnitt (laut John Hopkins University 1,98%);
4) das durchschnittliche Alter der an COVID-19 verstorbenen Patienten weicht nur wenig von der natürlichen Lebenserwartung ab.
Kommentar! Die Studienleiter wollten noch keine konkreten Empfehlungen für die Politik abgeben, aber aufgrund der gigantischen gesellschaftlichen Folgen des „Lock-downs“ wollen wir uns zu den praktischen Konsequenzen der wissenschaftlichen Ergebnisse äußern. Die Auslagerung der Diagnostik von Verdachtsfällen und das Containment ausserhalb von Krankenhäusern (Drive-In Testung, häusliche Quarantäne) ist der bessere Ansatz als die Organisation von Schwerpunktkliniken, die für Diagnostik und Behandlung aller COVID-19 Fälle verantwortlich sind – insbesondere wenn nicht ausreichend geschütztes medizinisches Personal als „Superspreader“ fungiert. Die Ausgangssperre kann aufgrund der milden Verläufe aufgehoben werden, wenn auf weitere „Superspreading-Events“ verzichtet wird (Veranstaltungen etc.) und verschärfte Hygieneregeln eingehalten werden.
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Die vorläufigen Studienergebnisse haben aber auch massive Kritik von anderen Virologen hervorgerufen. Zudem wurde auf die enge Zusammenarbeit mit einem PR-Unternehmen hingewiesen, zu deren Mitbegründern Ex-Bild-Chefredakteur Kai Diekmann zähle.
Mehr hier: https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2020-04/heinsberg-studie-coronavirus-hendrik-streeck-storymachine-kai-diekmann
Prof. Streeck hat den Gen-Test von Prof. Drosten kritisiert, weil dieser virale RNA auf Oberflächen von Türklinken nachgewiesen hat, die kein vermehrungsfähiges Coronavirus enthielten – danach kam die Retourkutsche von Prof. Drosten, dass der Test von Prof. Streeck auf Immunglobuline von anderen Coronavirustypen reagieren könnte. Das ändern nichts daran, dass es wichtig war den Hotspot in Heinsberg genauer zu untersuchen. Übrigens wäre das nicht die Aufgabe des Robert-Koch-Instituts?