Ach wie war das schön, als wir über den großen Teich blicken konnten und dachten, sowas könnte uns nie passieren. Ein Trump in Deutschland, im demokratischen System der Bundesrepublik, undenkbar. Wir haben doch aus der Geschichte gelernt, haben einen funktionierenden öffentlich rechtlichen Rundfunk und eine vielfältige Medienlandschaft, haben einen eingeübten öffentlichen Diskurs. Ein Rechtspopulist in der Regierung, der alles sagt, was seine Wähler hören wollen und dem es egal ist, dass er andere damit verschreckt. Jemand eben, der meint, seine eigenen Unterstützer und Unterstützerinnen reichen aus und sind deshalb die besseren Menschen.
Aber spätestens heute wissen wir, es gibt ihn doch, den deutschen Trump. Oder zumindest ein ärmeres Plagiat von ihm. Horst Seehofer mit Namen, Bundesinnenminister von Beruf. Nachdem es sich schon lange angekündigt hatte, in zahllosen Koalitionsstreitigkeiten und Äußerungen, steht es jetzt wohl fest: Seehofer opfert lieber den demokratischen Diskurs bevor er die Bundeskanzlerin unterstützt. Im Angesicht eines pöbelnden und rassistischen Mobs in Chemnitz spricht er sich nicht für den Rechtsstaat oder für das Gewaltmonopol des Staates aus. Stattdessen schiebt er die Schuld an dem unsäglichen Verhalten in Chemnitz lieber auf die Migration. Für Seehofer ist die Mutter aller Probleme die Migration. Die deutschen Schreihälse werden also reingewaschen von ihrer Verantwortung sich anständig aufzuführen und sich um ein menschliches Miteinander zu bemühen. Sie trifft keine Schuld, sie wurden überrannt und können nichts dafür. Das ist die härteste Form des Populismus. Die internationalen Verstrickungen Deutschlands werden einfach ignoriert, die Fluchtursachen und das Asylrecht geleugnet und die eigene Verantwortung abgestritten. Der Bundesinnenminister stellt sich hin und sagt durch die Blume: Hätte Merkel damals nicht die Grenzen geöffnet, hätten wir heute keine Probleme. Die Welt wäre in Ordnung und es gäbe keine Nazis.
Trump macht ähnliches mit Obama. Sein Vorgänger ist für ihn an allem Schuld was schlecht läuft. Bei Seehofer ist es seine eigene Vorgesetzte, die an allem Schuld trägt. Wer so etwas in einer Demokratie von der Regierungsbank aus betreibt, ist von allen guten Geistern verlassen. Es ist im Grunde genommen eine Weiterführung seines indirekten Aufrufs zur Revolution von vor zwei Jahren. Schon damals sprach er von einer „Herrschaft des Unrechts“. Abgesehen davon, dass diese Aussage an sich Blödsinn ist, darf sich ein Bundesinnenminister, der sich freut, wenn „Ausländer“ straffällig werden, damit er sie abschieben kann, den Vorwurf gefallen lassen, dass er selbst nicht ganz auf dem Boden des Rechts steht.
Aber das interessiert in der aufgeheizten Debatte die Populisten ja nicht. Seehofer und Co leben von den unaufklärbaren Streitigkeiten. Mit Seehofer in der Regierung ist Demokratie und Fortschritt nicht zu machen. Er muss besser früher als später aus der Regierung ausgeschlossen werden und sein Amt abgeben. Nur so kann irgendwann mal wieder Politik gemacht werden, die sich nicht in ständiger Gegnerschaft der Koalitionspartner aufreibt. Oder eben Neuwahlen. Vielleicht folgt bei der nächsten Wahl Seehofer ja Erika Steinbach nach. Die Störerin der CDU, die auch nicht mehr mit der aktuellen Politik konnte, unterstützte zur Bundestagswahl direkt die AfD und arbeitet mittlerweile für die AfD-nahe Stiftung.