Wer sind die sog. "Corona-Rebell*innen"? Kurzvortrag des Politologen Paul Kleiser – aktualisiert mit Kritik

Am 31. Oktober 2020 hat der Bund für Geistesfreiheit München (bfg München) seinen 150. Geburtstag im EineWeltHaus gefeiert. Von Beginn an war eine der Hauptforderungen der Organisation die Trennung von Kirche und Staat. Heute macht sich der bfg München zudem stark für die Bewahrung der Grund- und Menschenrechte sowie Frieden und Abrüstung. Er setzt sich ein für ein selbstbestimmtes Leben und für die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse unter Beachtung ethischer Kriterien.
Auf der Geburtstagsfeier sprachen Referent*innen zu den verschiedensten Themen. Eine Frage, mit der sich die meisten in den letzten Monaten schon mal beschäftigt haben dürften, war dann auch: Wer sind eigentlich die sog „Corona-Rebell*innen“? Was treibt diese Menschen an, auf „Querdenker*innendemos“ zu gehen? Der Politologe Paul B. Kleiser hat sich damit auf dem Fest im EineWeltHaus auseinandergesetzt. Für ihn setzen sich die Corona-Rebell*innen aus ganz verschiedenen Gruppen zusammen, von denen viele säkularisierten Glaubensvorstellungen anhängen. Mit dabei „Verschwörungstheoretiker*innen, Antisemit*innen, Esoteriker*innen, Anhänger*innen von Rudolf Steiner, Neofaschist*innen und das gesamte rechtsextreme Lager. Kleiser sieht bei den „Corona-Rebell*innen insgesamt eine „Mischung aus Irrationalismus und rechten bis rechtsextremen Bestrebungen“ und warnt „alle in Richtung Emanzipation arbeitende Menschen davor, sich ihnen anzuschließen“. Der Politologe schloss seinen Vortrag mit den Worten des Kirchenkritikers Karl-Heinz Deschner: „Je größer der Dachschaden, um so freier der Blick zum Himmel.“
Vortrag Paul B. Kleiser:

Kritik von Hans Hase, gesendet am 24. November 2020:

Entgegnung von Paul B. Kleiser auf Hans Hases Kritik, gesendet am 1. Dezember 2020:

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3 Kommentare

  1. In puncto Hochfrequenz-Strahlenbelastung (vgl. 5G, 4G, SpaceX-Satelliten neuester Bauart, Mobilfunk, Radar, etc.) hat der Autor einen sehr einseitigen, unwissenschaftlichen Standpunkt („Aluhüte“). Auch in puncto implantierbarer Microchips ist der Autor nicht umfassend informiert. Ich kann hier nicht näher darauf eingehen. – Hier die Seite für Elektrohypersensibilität, unter der immer mehr Menschen (auch in D!) leiden: https://www.elektrosensibel-muenchen.de/

  2. Wie der Feedback-Kommentar über mir heute am Ende des Dienstagsmagazins ins Lächerliche gezogen wurde, motiviert mich nun doch auch mein Unbehagen mit Paul Kleisers Bewertung der „Corona-Rebellen“ kund tun.
    Klar überziehen sehr viele der Demonstranten mit Verabsolutierungen der Themen und manche deuten das Kritisierte als „Verschwörung“. Und dass da sehr rechte diese zu vereinahmen zu versuchen, ist leider real. Am Anfang legt Paul Kleiser die Mechanismen durchaus richtig dar. Aber dann folgt die übliche Stigmatisierung aller möglichen protestierenden Gruppen u.a. als antisemitisch. Mit diesem Etikett werden die Gruppen aus dem Debattenspektrum ausgegrenzt, braucht man sich nicht zu wundern, wenn die sich ihrerseits radikalisieren.
    Denn an ettlichen, den Demonstranten unter den Nägeln brennnenden Themen sind sehr diskussionswürdige Punkte, dessen Debatten in der Öffentlichkeit wenn, dann eben nur in den Schmuddelecken der als „Querfront“ usw. stigmatisierten Internetmedien stattfinden.
    Erinnert sich bei LORA noch jemand an den Jingle „Radio für Querdenker“? Der meinte sicher etwas anderes, als die CoronaRebellen, das hat wohl auch Herr Kleiser noch im Hinterkopf, wenn er das Vorwort „sogenannte“ hinzufügt. Aber seine Darstellung/Deutung ist alles andere, als linkes Querdenken, sondern bewegt sich zwischen den Argumentationsmustern der von Neoliberalen Denkfabriken aufgestellten Scheuklappen.
    Gehen wir mal ein paar konkrete Themen durch und fangen mal mit Bill Gates an: Klar ist Deutung, das er persönlich irgendwelche Zügel in der Hand hält, um Massen zwangsimpfen zu lassen Blödsinn.
    Fakt ist aber, dass er mit seinen Stiftungen sehr selektiv Gesundheitspolitik im Interesse der Einfluss-Sphären der großen Pharmamultis macht und die Leute da in Abhängigkeiten treibt.
    Die mediale Diskussion, die eine Impfung als das allein selig machende gegen Corona verspricht, fördert ebenfalls nicht die Glaubwürdigkeit der großen Medien und treibt die Impfskeptiker zu den Demos.
    Wenn man in den letzten Tagen mitbekommen hat, wie ein überteuerter, auf ungetestete Gentechnische Veränderungen der Zellen setzender Impfstoff, dessen Nebenwirkungen noch niemand kennt, medial hoch gejubelt wird, gleichzeitig aber z.B. chinesische oder russische Impfsoffe nur mit ideologischen Scheuklappen erwähnt werden und über Risiken und Nebenwirkungen von derartigen Impfungen nicht debattiert wird, braucht sich niemand über einen Zulauf zu den „Coronarebellen“ zu wundern.
    Vor zehn Jahren gabs mal bei LORA kontroverse Debattenserien zum Thema Homöopathie versus Schulwissenschaft, die Zeiten sind vorbei…
    Dann werden die Anthroposophen und sonstigen Esoteriker ebenfalls in den Nazisumpf hinein-gerührt. Sicherlich keine „Linken“, aber in einer liberalen (im Sinne von Bürger- und Menschenrechten)
    und weltoffenen Gesellschaft, die wir sein wollen, gehören die dazu. Man kann sich mit denen inhaltlich im Detail auseinandersetzen, aber deren Meinungen auszugrenzen, baut weitere Mauern auf.
    Und ja, 5G nützt nur einem, der an dessen Installation und Nutzung verdienenden Wirtschaft und Kapitalgesellschaften, aber nicht den Menschen und deren Gesundheit, die durch die Menge und Leistungs-Intensität künstlicher hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung immer mehr belastet. Dem kann mensch gemnausoschwer ausweichen wie dem Feinstaub oder anderen Emissionen der Industrie (nicht nur CO2).
    Kritik daran ins lächerliche zu ziehen (Stichwort „Aluhut“) ist im Sinen der allerorten zu vernehmenden gleicxhgeschalteten pseudolinken neoliberalen Erklärbär-Verlautbarungen.
    Mit einer sachlichen politischen Analyse hatte der Beitrag von Paul Kleiser, den ich früher durchaus geschätzt hatte, nichts zu tun. Klang eher nach den die wissen, dass alles faktisch Nazis oder deren potentielle Sysmpatisanten sind und die „Argumentationsketten“ so aufbauen, um die Ideologischen Behauptungen nachzuweisen. Schön praktisch, muss man sich nicht mit den Inhalten und Anliegen der sehr heterogen zusammengewürfelten Demonstranten auseinandersetzen.
    Möchte man fast den rechten unter den Demonstranten recht geben, die da Methoden aus der DDR unterstellen. Dort hatte ich übrigens beim Aufsagen der Erwartung der Lehrerin eine Eins dafür bekommen,
    dass „Freiheit Einsicht in die Notwendigkeit“ sei. Und in der DDR-Ideologie wurde diese „Notwendigkeit“ im Politbüro definiert, heute sind es die von den Netzwerken aus Industrie, Militär und so weiter finanzierten Stiftungen, Thinktanks usw., die die Ideologie und Argumentationsscheuklappen sponsern.

  3. Wer sind die Corona-RebellInnen? Eine Antwort auf Herrn Hase
    Von Paul B. Kleiser
    In der LORA-Sendung vom 24. November stellte Herr Hans Hase eine Reihe von Thesen zu den „Corona-Demos“ infrage, die ich in meinem Vortrag vor dem Bund für Geistesfreiheit entwickelt habe. Viele seiner Argumente haben nur sehr entfernt mit meinen Darlegungen zu tun. Natürlich hat auch Radio LORA früher von „Querdenken“ gesprochen, es fragt sich aber – quer zu was? Natürlich quer zur offiziellen bayerischen Politik und zur CSU! Eben nicht quer zu einer Politik, die – im Einzelnen durchaus problematische bis sinnlose – Maßnahmen trifft, um eine Ausbreitung der Pandemie zu verhindern, welche das Gesundheitssystem an den Rand des Zusammenbruch führen könnte. Es ist einfach absurd, die Gefährlichkeit des Covid-19-Virus zu leugnen oder von einer „kleinen Grippe“ zu reden. Dass Deutschland (bis Oktober) nur im April eine „Übersterblichkeit“ aufwies, war den AHA-Maßnahmen geschuldet, wie ein kurzer Blick auf weniger restriktive Länder, etwa die USA, zeigt.
    Ich habe nie bestritten, dass bei den Demonstrationen in Stuttgart, Berlin und Leipzig usw. nicht auch Menschen zugegegen waren, die zuvörderst nachvollziehbare materielle Gründe geltend machen wollten, oft schlichtweg die Sorge um ihre Existenz. Das trifft für viele Soloselbständige, Gastronomen oder Kulturschaffende zu. Aber viele haben sich offenbar wenig Gedanken darüber gemacht, wer diese Kundgebungen organisiert hat und wer bei ihnen auftritt. Und hier liegt das eigentliche Problem, denn es handelt sich um rechte bis rechtsradikale Zusammenkünfte.
    So spielen diverse Strömungen der Anthroposophie, also die Anhänger von Rudolf Steiner (in dessen Werk sich viele rassistische und antisemitische Züge finden), bei den Demos und Kundgebungen eine erhebliche Rolle. Mir ist wohl bewusst, dass es in dieser Strömung, vor allem im Schwabenland, heftige Auseinandersetzjungen gab, ob man die AHA-Regeln einhalten solle oder nicht; die meisten Walldorf-Schulen haben sich zögerlich dafür entschieden, aber längst nicht alle. Ich habe sie keineswegs einfach dem „Nazisumpf“ (Hase) zugerechnet. Aber Michael Ballweg aus Stuttgart, der zu dieser Richtung zählt, trat mehrfach mit Ken Jebsen auf Kundgebungen auf. Und Jebsen spielt nur zu gerne mit antisemitischen Clichées. Sein Pressesprecher engagiert sich bei den Reichsbürgern. In Stuttgart wurden vor zwei Wochen ganze Straßenzüge mit „Merkel ist Jüdin“ besprüht.
    Herr Hase stellt in Abrede, dass Antisemitismus in der Bewegung als Matrix eine große Rolle spiele. Das ist aus mehreren Gründen falsch: Fast alle Verschwörungsnarrative – von denen es in den Vorträgen auf den Demos reichlich gibt – ergehen sich in der Vorstellung, dass eine „Elite“ die Welt zu ihren Gunsten lenken und ausbeuten möchte. Klassischer Weise, etwa bei Eugen Dühring im Deutschen Kaiserreich, der auch ein prominenter Impfgegner war, waren dies die Juden. Sein Hauptfeind war eben die „jüdische Medizin“. Oder bei Bakunin waren es „die Marxisten und die Rothschilds“; auf den Demos wurden im Übrigen auch einige Autonome gesichtet. Aktuell sind Bill Gates und George Soros die Hauptfeinde, weil ihnen unterstellt wird, das Virus in die Welt gesetzt zu haben; zumindest aber den Menschen Chips einimpfen zu wollen, um sie manipulieren zu können. Auch die Impfgegnerschaft ist zumeist in diesem Zusammenhang zu sehen. Man kritisiert sie nicht als Großkapitalisten (Windows, Hedgefonds), sondern als Juden, die die Weltherrschaft anstreben.
    Die QAnon-Bewegung behauptet, die „Elite“ würde sich Kinder in Verliesen halten und sie ggf. schlachten, um das Verjüngungsmittel „Adrenochrom“ zu gewinnen; Ballweg rief in Berlin ihren Slogan „where we go on, we go all“ – kann das ein Zufall sein? Haben nicht Christen Jahrhuderte lang den Juden den Vorwurf gemacht, Kinderblut zu trinken?
    Der „Schwindel-Arzt“ Bodo Schiffmann aus Sinsheim, der ebenfalls in Berlin und Leipzig auftrat, leugnet zwar nicht, dass es Covid-19 gibt. Doch er hält es für harmlos und die über 10.000 Toten in Deutschland für nicht der Rede wert. Er sagt: „Ich habe keinen Bock auf einen Neofeudalismus mit Bill Gates als Kaiser und Angela Merkel als Königin für das Reich Deutschland.“ Und er vergleicht die Corona-Warn-App mit dem Judenstern! (Der Spiegel, Nr. 37/2020)
    Ich habe in meinem Vortrag von den historischen und gegenwärtigen Impfgegnern gesprochen, nicht aber von den in die Wege geleiteten staatlichen Impfstrategien. Ich stimme mit Herrn Hase wohl darin überein, dass es hier auch um gigantische Geschäftsinteressen von Pharmazie-Multis geht. Relativ kleine Firmen (wie Biontech) machen die Forschungs- und Entwicklungsarbeitarbeit, die dann von den Großkonzernen „abgemäht“ wird, wie sich schon Rosa Luxemburg ausgedrückt hat. Und wie Corona zu größerer Polarisierung zwischen arm und reich in Deutschland sorgt, so bringt dieser Prozess eine Reihe von Ländern der Dritten Welt in die Nähe des Abgrundes – auch das ist „realer Kapitalismus“. Doch die sozialen Themen sind auf den Demos – wen wundert’s – fast nicht präsent.

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