Am Donnerstag, den 26. August 2010 begann der Prozess gegen Eberl.
Eberl ist seit vielen Jahren politisch aktiv und gehört zu den Gründungsmitgliedern des Bündnisses gegen die Nato-Sicherheitskonferenz im Jahr 2001. Er wurde bereits 2002 als offizieller Pressesprecher des Bündnisses gemeinsam mit Claus Schreer in Unterbindungsgewahrsam genommen.
Bevor der Prozess am 13.30 Uhr beginnt, findet um 12.30 Uhr vor dem Gerichtsgebäude in der Münchner Nymphenburger Straße eine Solidaritätskundgebung statt.
Den Aufruf zur Solidarität hatten unterzeichnet:
Aktionsbündnis gegen die Nato-Sicherheitskonferenz / Bayerischer Flüchtlingsrat / Karawane für die Rechte von Flüchtlingen, Migranten und Migrantinnen / Interventionistische Linke (IL) / Münchner Friedensbündnis / Ver.di-Jugend München / Arbeitskreis Internationalismus (aki) / Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus / Bernd Michl, Attac / SDAJ-München / Die Linke-München / DKP-München / Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit, München / Mittwochs Kafee / Freitags Kafee / Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO) / Antifa NT, München / Infogruppe Rosenheim / Flüchtlingsinitiative Möhlau / RSB-IV. Internationale, München / Nicole Gohlke MdB-Die Linke
Auf der Solikundgebung spricht Claus Schreer vom Aktionsbündnis gegen die Nato-Sicherheitskonferenz. Ein junger Mann verliest den Text von Martin Löwenberg, der aus gesundheitlichen Gründen nicht selbst kommen kann. VertreterInnen von der Karawane und der Antifa NT sprechen.
Unter dem Motto „Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht!“ sieht sich das gesamte Bündnis auf der Anklagebank.
„Wir begreifen diesen Prozess als einen erneuten Angriff auf unser breites Bündnis und erklären: Wir lassen uns nicht einschüchtern!
Der Versuch, legitimen Protest zu kriminalisieren, trifft zunächst vielleicht nur einzelne, meint aber uns alle!“
Über den kompletten Zeitraum des Prozesses steht eine Mahnwache in grünen Jacken vor dem Justizgebäude.
Die Druckausgabe der Süddeutschen Zeitung hatte schon am Tag zuvor über die „Furcht vor Sympathisanten“ geschrieben. So gelten also strengere Sicherheitsmaßnahmen als sonst.
Ungefähr 30 ZuschauerInnen passen in den Raum. Die Pressereihe ist gut gefüllt.
Eberl ist wegen vier verschiedener Vorwürfe im Zusammenhang mit politischen Protesten und Aktionen gegen Militarismus, Faschismus und Rassismus im Laufe des Jahres 2009 angeklagt. Konkret geht es um:
- Protest gegen das NS-Kriegsverbrecher-Pfingstreffen der Gebirgsjäger in Mittenwald. Vorwurf: „Gefährliche Körperverletzung“ mit einem Plastikstuhl an einem Mittenwalder Rechtsextremisten.
- Protest gegen einen Auftritt des Organisators der NATO-Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger im EineWeltHaus. Vorwurf: Körperverletzung an Ischinger sowie Verstoß gegen das Versammlungsgesetz durch Störung einer Versammlung.
- Protest gegen das öffentliche Rekrutengelöbnis der Bundeswehr am Marienplatz. Vorwurf: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bei der Festnahme.
- Anti-Lager-Aktionstage des Netzwerks „Deutschland Lagerland“. Vorwurf: Beamtenbeleidigung, da er einem Polizisten wegen der Festnahme eines Flüchtlings aufgrund von Verstoß gegen die „Residenzpflicht“-Landkreisbeschränkung die Durchführung von „rassistischen Maßnahmen“ vorgehalten haben soll.
Anklagepunkt 1: Vorwurf: „Gefährliche Körperverletzung“ mit einem Plastikstuhl an einem Mittenwalder Rechtsextremisten.
Eberl verliest einen eigenen Text, den er mit der Bitte abschließt, dass sich die Staatsanwältin für den Vorwurf des „Linksextremismus“ entschuldigen möge. Die Staatsanwältin und die Richterin lachen fröhlich. Richterin: „Dazu muss die Staatsanwältin nichts sagen.“ Was sie auch nicht tut.
Der erste Zeuge zum Punkt 1 ist ein junger Mann, der in seiner Bundeswehrzeit bei den Gebirgsjägern in Mittenwald war. Bei den Protesten gegen das NS-Kriegsverbrecher-Pfingstreffen der Gebirgsjäger in Mittenwald im Jahr 2009 kam es zu einer Begegnung zwischen dem jungen Mann und Eberl. Junger Mann behauptet, Eberl habe ihm einen Plastikstuhl „zwischen die Beine geschossen“, hinweg über die Ecke eines runden Tisches. „Sein Genital“ wäre danach gerötet gewesen. (Eine „Lichtbildvorlage“ der Rötung wird von Richterin/Staatsanwältin/Gutachter/Zeugen/Anwalt/Angeklagtem angeguckt.)
In Mittenwald soll sogar „dämliches Faschistenpack“ gesagt worden sein. Vom Anwalt auf seine politische Gesinnung angesprochen, windet sich Junger Mann. Nur weil er kurze Haare habe, solle er Faschist sein? Er schließe auch nicht von bunten Haaren auf Clowns. Eigentlich habe er keine politische Einstellung. In einer mit sich selbst mitleidslosen Zelebrierung von „Selbstverbrennung“ bekundet er, offiziell NPD-Mitglied zu sein, er gäbe aber „gegen Geld“ Informationen an den Verfassungsschutz.
Der Zeuge für Anklagepunkt 4, ein syrischer Mann, erzählt wie er in München von der Polizei mehrfach kontrolliert wurde und Eberl ihm bei einer dieser Kontrolle begegnet sein soll.
Für Vorwurf 2a und 2b (Körperverletzung an Ischinger sowie Verstoß gegen das Versammlungsgesetz durch Störung einer Versammlung) tritt als erster Zeuge der Ischinger-Begleiter von jenem Abend im EineWeltHaus auf.
Eine „Gruppe von Aktivisten“ habe irgendwelche Parolen „geschrieen“: „Kein Dialog mit Kriegstreibern“ „sowas in der Richtung“. Teile der Friedensbewegung und Attac seien „dialogbereit“ gewesen. Die anwesenden „20 Autonomen“ seien „wie üblich chaotisch organisiert“ gewesen. Fröhliches Lachen erschallt von den Zuschau-Bänken. Die Richterin: „Sie brauchen nicht zu lachen. Das war nicht lustig.“
Der Begleiter habe nur gesehen, dass eine Hand in Richtung Ischinger geschlagen habe, er habe dieser Hand keine Person zuordnen können.
Damit sich alle die Situation im EineWeltHaus so richtig vorstellen können, soll der Begleiter eine Skizze malen. Im Raum wird es ein wenig unruhig. Die Richterin: „Das ist dahinten kein Grund zu reden, wenn wir hier vorn eine Skizze malen.“
Die zweite Zeugin ist die Moderatorin der Attac-Veranstaltung im EineWeltHaus. Sie spricht von „Getummel im Innenhof“, von einer Türblockade, wie Ischinger über Umwege durch das Haus dann doch noch in den Saal des EineWeltHauses gebracht werden konnte. Es wären „disziplinierte Blockierende“ gewesen.
Nachdem auf dem Podium Ischinger vorgestellt worden war, wären die Rufe „Kein Dialog mit Kriegstreibern“ erschollen. Auf Nachfrage der Attac-Frau habe Ischinger gesagt, er empfinde die Situation als harmlos, sie würde ihn an seine Studentenzeit erinnern.
Nach ihrer Erstaussage bei der Polizei „Der in der grünen Jacke könnte der E. sein“, ist sich die Attac-Frau heute nicht mehr sicher, sie spricht von „Restunsicherheit“ und von „60 prozentiger Wahrscheinlichkeit“.
Letzter Punkt dieses Tages: „Protest gegen das öffentliche Rekrutengelöbnis der Bundeswehr am Marienplatz. Vorwurf: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bei der Festnahme“.
Ein Polizeibeamter erzählt, Eberl habe „Lärm erzeugt“ und „Desertieren statt Marschieren! gebrüllt“. Wenn der „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bei der Festnahme“ nicht stattfindet, würde die Polizei „ihre Einschreitschwelle langsam hochfahren“. Auf Nachfrage der Richterin, warum Eberl nicht erst einmal einen Platzverweis erteilt bekommen habe, sagt der Polizeibeamte, dass sie die Anweisung gehabt hätten „bei großen Störungen, sofort festzunehmen“. Zwei Zeuginnen der Verteidigung werden befragt. Die Richterin gibt sehr deutlich zu verstehen, was sie von ihnen hält. „Sie gehen zu ähnlichen Demonstrationen?“, „Ist Ihre politische Gesinnung ähnlich?“, „Warum waren Sie beim Gelöbnis?“, „Gehören Sie zu den Leuten, die auf dem Boden gelegen haben und sich mit Tomatensaft überschüttet haben?“ Da muss selbst die Richterin lachen. Die Zeuginnen berichten, dass die Polizei „ziemlich schnell und hart eingegriffen“ habe. Die Richterin fragt, ob die Zeuginnen „Aggressionen!“ seitens der Polizei beobachtet hätten. Aber: „Eine Festnahme ist keine Aggression!“. Das Publikum wird unruhig. „Wenn Sie etwas kommentieren wollen, gehen Sie!“, „Wenn ich nicht ausmachen kann, wer es war, gehen Sie alle!“, „Achten Sie auch auf Ihren Nachbarn! Ansonsten fliegen Sie nämlich alle raus.“
Nächster Gerichtstermin: 13. September 2010 , 12 Uhr. Dann wird es um den „Ischinger-Komplex“ gehen.
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Links
Der vollständige Aufruf mit den bisherigen UnterstützerInnen, incl.Hintergrundinfo
„Interview mit verfolgtem Antimilitaristen“ auf indymedia am 26. August 2010
„Amtsgericht München: Munterer Prozess gegen niederbayerischen Anarchisten“ auf mediendenk.de am 26. August 2010