Was man von Marx lernen kann.
Alles Nötige über Arbeit und Reichtum im Kapitalismus
Eine Einführung in Karl Marx „Das Kapital“. Kritik der politischen Ökonomie
Veranstalter: GegenStandpunkt-Verlag
Zeit: Mittwoch, 29.1.2014; 19.00 Uhr
Ort: EineWeltHaus, Schwanthalerstr. 80, RGB, Raum E 01, 80336 München, U-Bahn-Haltestelle Theresienwiese U 4/5
In der bürgerlichen Öffentlichkeit wird Marx seit dem Beginn der Finanz- und Staatsschuldenkrise von manchen Autoren wieder für ‚aktuell‘ und ‚interessant‘ erklärt. Sie zitieren ihn einerseits als Prophet der Globalisierung und präsentieren ihn andererseits als Krisenprognostiker, der vor den Exzessen gewarnt habe, die heute als ‚Turbo-‘ und ‚Casino-Kapitalismus‘ beklagt werden. Daneben wird ihm eine gewisse Anerkennung als mitfühlender Menschenfreund zuteil, den die ‚Ungerechtigkeiten‘ und das Elend der Arbeiter im Frühkapitalismus zu radikalen Schlüssen verleitet haben, die durch die Errungenschaften der ‚heutigen Marktwirtschaft‘ und ihrer ‚sozialen Sicherungssysteme‘ allerdings im Wesentlichen widerlegt seien…
Linke Kritiker halten Marx dagegen als den Entdecker der ‚Arbeitswertlehre‘ in Ehren, der ‚die Arbeit‘ als wahre Quelle alles ‚wirklichen‘ Reichtums nachgewiesen habe. Die einen wettern mit Marx‘ Werttheorie gegen ein neoliberal entfesseltes Finanzkapital: Nicht nur, dass es mit seinen rücksichtslos bis ins Unendliche aufgetürmten und auf immer neue gewinnbringende Anlage berechneten ‚Finanzprodukten‘ zum Reichtum der Gesellschaft nichts beitrage – mit dem Zusammenbruch seiner Schwindeltürme stürze es außerdem die ‚Realwirtschaft‘, in der sonst die Arbeit ‚echte Werte‘ schaffe, mit in die Krise. Für eine andere Fraktion linker Kritiker ist Marx‘ Theorie der wissenschaftliche Beweis für die selbstzweckhafte und sinnentleerte „Produktion um der Produktion willen“, die es mit ihrer systemischen Selbstbezüglichkeit nicht nur zu periodischen Krisen bringt, sondern an einer ebenso systemischen ‚Krisenhaftigkeit‘ kranke, mit der sie auf ihren unentrinnbaren historischen Zusammenbruch zusteuere.
Gegen solche Würdigungen hätte Marx sich verwahrt:
Den Klagen über Krisen, die periodisch das Wachstum ruinieren, hat er sich nicht angeschlossen. Erstens hat es Marx für erklärungsbedürftig gehalten, dass Reichtum immerzu und ohne Maß und Grenze wachsen muss, damit die Gesellschaft nicht gleich in eine Krise stürzt. Den Grund dafür hat er in der ökonomischen Natur des kapitalistischen Reichtums entdeckt, die nicht in den produzierten Gebrauchswerten, sondern in der abstrakten, geldförmigen und darum maßlosen Zugriffsmacht auf sie besteht. Woraus er zweitens geschlossen hat, dass kapitalistische Krisen verrückter Weise darin bestehen, dass es zu viel von allem – Waren, Arbeitskräften, Produktionsmitteln – für diesen Zweck der Geldvermehrung gibt.
Das Lob der Arbeit als ‚Schöpferin aller Werte‘ war seine Sache nicht. Er hat nämlich erkannt, dass Arbeit nur (Tausch-)Wert schafft, wenn sie nicht einfach nützliche Dinge herstellt, sondern unterm Kommando des Kapitals und für dessen Zweck der Geldvermehrung verrichtet wird, also überhaupt nur als dessen Potenz und dessen Bestandteil wirkt. Marx hat darum auch nicht gerechten Lohn gefordert. Weil er gewusst hat, dass der Zweck der vom ‚Faktor Arbeit‘ geschaffenen Werte im Mehrwert liegt, der dem Kapital gehört, war ihm auch klar: Der Arbeitslohn ist der nicht knapp genug zu kalkulierende Preis dafür, dass mit der Produktion des sachlichen Reichtums immer auch feststeht, dass die Resultate der Arbeit nicht den Arbeitern, sondern der Firma gehören, die sie entlohnt. Im Lohn für Arbeit – und nicht in ganz besonders niedrigen Löhnen – hat Marx also die kapitalistische Form von Ausbeutung erkannt.
Über die Rolle des Staates hat sich Marx nichts vorgemacht: Eine derart gegensätzliche Produktionsweise ist ohne Staatsgewalt nicht aufrechtzuerhalten, die diesen Laden einrichtet und ausgestaltet. Marx hat daher nicht das ‚Nebeneinander von Armut und Reichtum‘ beklagt und an den Staat appelliert, die sozialen Gegensätze abzumildern und aushaltbar zu machen. Und auch wenn er den Sozialstaat noch nicht kannte, so hat er dessen zynische Logik schon seinerzeit als Armutszeugnis des Systems denunziert: Dass dem Kapital noch die geringsten Rücksichten auf die Arbeiter per staatlichem Zwang aufgeherrscht werden müssen, hat er für einen Offenbarungseid bezüglich des ruinösen Charakters kapitalistischer Anwendung von Lohnarbeit angesehen.
Und was die linken Klagen über einen Kapitalismus angeht, der als entfremdetes System Unternehmer wie Lohnarbeiter, Politiker und Massen gleichermaßen zu systematischer Entfremdung verdammt, so hat Marx sein Hauptwerk nicht ohne Grund „Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie“ genannt: Er hat an der kapitalistischen Produktionsweise kritisiert, dass die Vermehrung des gesellschaftlichen Reichtums in der Verfügung einer Klasse von Privateigentümern systematisch auf dem wachsenden Ausschluss der Mehrheit beruht. Die trägt als Klasse der eigentumslosen Arbeitskräfte von dem Reichtum, den sie schafft, ausschließlich den materiellen Schaden davon – eben weil sie ihn schafft.
Auf eine unentrinnbare Notwendigkeit des Scheiterns des Kapitalismus ist Marx bei seiner Analyse des Gegensatzes von Arbeit und Reichtum, der Widersprüche kapitalistischer Akkumulation und der Konkurrenz von produktivem und Finanzkapital nicht gestoßen. Darum hat er darauf bestanden, dass für die materiell Geschädigten Wissen darüber nottut, wie die schädliche und absurde Rationalität des kapitalistischen Wachstums mit Aufschwung und Krise quasi sachnotwendig funktioniert – damit diejenigen, auf deren Dienst und Dienstbarkeit schließlich der Fortbestand der ganzen kapitalistischen Herrlichkeit beruht, wissen, wogegen sie sich praktisch zur Wehr setzen müssen.
Diese Thesen will der Vortrag begründen und damit zugleich einführen in „Das Kapital“ von Karl Marx als Auftakt für einen allen Interessierten offenstehenden Lese- und Diskussionskreis der Marxschen „Kritik der politischen Ökonomie“ des Kapitalismus.
Das erste Treffen findet dann am Donnerstag den 6.2. 19 Uhr im Raum 211/212 statt.
Zum 200. Geburtstag von Karl Marx – 5.5.2018
Ausgerechnet dem Fundamentalkritiker von Kapitalismus
u. bürgerlichem Staat wird Ehre eingelegt durch die dt.
und gleich auch noch europ. Bourgeoisie
Seit Jahrzehnten bekämpft, interessierte Hineininterpretiererei in seine Werke statt
Widerlegung derselben, exkommuniziert aus der Wissenschaftszunft, seit der Verab-
schiedung derjenigen von der Weltbühne, die sich als realer Sozialismus auf die Marxschen
Lehren berufen haben die Feier des weltweiten Siegeszuges von Kapitalismus und
Imperialismus, damit die endgültige Beerdigung von allem, was irgendwie eine Nähe
zum Kritiker der Politischen Ökonomie und des Marxschen Denkens überhaupt reklamierte
– und jetzt zum runden 200. von Marx erweisen die Herrschenden ihm eine allerdings
zwiespältige Ehre.
Sie nehmen es sich frei heraus: praktische Relevanz hat der Marxismus nirgendwo mehr;
da ist ihnen ein runder Geburtstag von sage und schreibe 200 Jahren Anlass für einen
unverfänglicheren Umgang mit dem Alten, wenn man irgendwelche Theorieschnipsel
desselben so zurechtinterpretiert, dass es in die ganze bürgerliche Chose reinpasst.
‚Unser‘ repräsentativer Vorsteher der dt. Nation Steinmeier:
Marx sei ein einflussreicher Philosoph, in all seiner Widersprüchlichkeit ein großer dt. Denker
gewesen.
Kaum eine Figur des 19. Jahrhunderts sei so bekannt und gleichermaßen umstritten wie Marx.
Auch weil seine Erkenntnisse die Blaupause lieferten für viele letztlich gescheiterte sozialistische
Gesellschafts- und Wirtschaftsmodelle und kommunistische Diktaturen.
(Quelle: ARD-Teletext v. 5.5.18)
Das Umstürzlerische, Klassenkämpferische als Konsequenz aus seiner Kapitalismuskritik
haben die Bürgerlichen noch nie gemocht. Sie lassen eine vorgeblich unverdächtige Seite
an Marx hochleben, was sich in der Betitelung ‚großer Denker/Philosoph‘ zusammenfasst
– die philosophischen Ergüsse werden hergenommen dafür, dass damit im Grunde der
dt. Nation Ehre gebührt, die solche hellen, allerdings um-
strittenen Köpfe hervorgebracht habe. Soweit sich auf die verphilosophierten polit-
ökonomischen Aussagen fragmentarisch bezogen wird, werden die eben zurechtgebogen
in Richtung prophetischer Auslassungen wie derjenigen der Selbstzerfleischung des
Kapitalismus und mit modernen Phänomenen wie dem Finanzcrash neulich bebildert, ob
dies ein Anzeichen für das Eintreffen angeblicher Marxscher Prognosen sein könnte;
aus der Marxschen Kapitalismusanalyse eine Frage der Haltbarkeit des bürgerlichen
Wirtschaftsystems herauszudestillieren macht sich völlig frei davon, wie aus den
Bestimmungen einer absurden Produktionsweise des Kapitals die begründete Notwendig-
keit von deren Überwindung durch korrekte Einsicht der abhängigen Variable des globalen
Kapitalismus, der lohnarbeitenden Bevölkerung, von Marx herausgearbeitet wurde.
Man wird den Verdacht nicht los, es geht der bürgerlichen Gemeinde darum, Seiten an
ihm zu entdecken, eher schlicht zu erfinden, wie die sich vielleicht nutzbar machen lassen
für das Management ihres prinzipiell fraglos zu goutierenden kapitalistischen Ladens oder
einfach als Korsett für die wirtschafts-, sozial-,staatsmoralischen Verse auf die eigentlich
Beste aller Wirtschaften.
Marx Texte übten noch gewaltigen Sog aus: angesichts von Globalisierung, sozialer Ungleichheit, Finanz-
crash, Klimawandel fragten sich viele, ob der Kapitalismus sich doch noch selbst auffrisst, wie von Marx
(angeblich!) vorhergesagt.
(Quelle: ebd.)
Einmal unabhängig davon, ob es stimmt, dass der Polit-Ökonom von Selbstabdankung des
Kapitals überhaupt dahergeredet hat und wie die oben aufgeführten Phänomene sich dazu
verhalten, darin einzureihen wären, schon letztere für sich haben absolut nichts mit den
polit-ökonomischen Charakterisierungen des Kapitalismus gemein. Das bürgerliche
Räsonieren über Globalisierung, Ungleichheit, Finanzcrash, Klimawandel, also die Besichtung
des Kapitalismus auf dessen Vor- und Nachteile (Globalisierung), dessen Ungerechtigkeiten
(soziale Ungleichheit), dessen Missgriffe (Klimawandel), letztlich dessen Verbesserungsbe-
dürftigkeit kommt wie eine Affinität zu Marx daher, wenn man die theoretische wie praktische
Feindschaftsansage gegen die bürgerliche Welt herauskürzt.
Beispiel „‚Globalisierung“:
Denn unter diesem nichts-sagenden Allgemeinplatz*) wird eine Abwägerei von
Chancen und Risiken für die Nationalwirtschaften, die Weltökonomie und überhaupt ge-
wälzt, die von der Unumstößlichkeit der weltweiten Geschäftemacherei ausgeht und sich
parteiisch nach dem Nutzen derselben für die im weltweiten Geschachere Eingehausten,
dessen Ausgestaltung, Einhegung von ‚Entgleisungen‘ erkundigt.
Dies steht völlig konträr zur Marxschen Bestimmung des Weltmarkts, wie nämlich
mit der dem Kapital eigenen Maßlosigkeit der Geldvermehrung es dieses über alle
nationalen Grenzen hinweg drängt, dazu, jeden Erdenwinkel und die dort ansässigen
Völkerschaften samt sonstigem Inventar für seinen Zweck der Selbstvermehrung
untertan zu machen – unter ‚Vermittlung‘ der staatlichen Abräumer der Hindernisse und
Schranken, die in der souveränen Verfügung anderer Staatsgewalten über fremde
Landstriche liegen. Die barbarischen Formen und Resultate dieser globalen
Kapitalwirtschaft, wie alles als Anhängsel deren Profitmacherei, nämlich per
internationaler Vergleicherei alles als konkurrenzlos billiges Arbeitsmaterial und sonstige
unschlagbare günstige Bedingungen sortiert und zurechtgemacht wird, wie darüber
Armut und Elend im Weltmaßstab forciert werden, ganze Landschaften als
Kapitalanlagesphäre begutachtet und dem Ruin ausgesetzt werden, wenn sie dem
Bereicherungsmaßstäben des Weltkapitals nicht genügen, ganze Nationen am Kredit
des Finanzkapitals auf Gedeih und Verderb hängen, u.U. mit der Konsequenz der
regelrechten Verpfändung ganzer Nationen an die internationalen Kreditagenturen
– das und mehr ist nichts als ein Grund für eine einzige Absage an diese Sorte
Wirtschafterei und lässt keinen Raum für irgendwelche Nachteils-/Vorteilsabwägungen.
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*)Globalisierung ist überhaupt keine ökonomische Kategorie, die irgendwas gescheit erklären
würde aus der bürgerlichen Welt: es ist ein ziemlich dünnes Abstraktum, unter das man alles und
jedes fassen kann; Krankheiten, Hunger, Fluchtbewegungen können ebenso global angelegt
oder ausbreitbar sein. Zudem wird dem damit Bezeichneten was Subjekthaftes zugeschrieben,
was es so gar nicht geben kann, weil nämlich erstmal als was Getrenntes von den In-
teressen, die warum und wie sich weltweit betätigen; so als ob das was die Ergreifendes
oder über diese Interessen Kommendes wäre. Oder wenn man es vom Kopf auf die Füße stellen
würde: statt die Interessen zu spezifizieren, die da ausgreifend angelegt sind, wird mit
Globalisierung ein über die hereinbrechender Sachzwang vorstellig gemacht.