Kommentar zur versehentlichen Klimaberichterstattung in ZDF Spezial und ARD Brennpunkt am 24.07.2023. Unter den Titeln „Außer Kontrolle – Waldbrände auf Rhodos“ in der ARD und im ZDF: „Feuer im Ferienparadies – Großbrand auf Rhodos“, war die Klimakatastrophe nur ein Randthema, das so gut es ging gemieden wurde. Eine kurze Zusammenfassung und Kritik von Fabian Ekstedt.
Ganzer Text:
Gestern, am 24.07.23, war es endlich mal wieder so weit. Ein Format, dass wir seit 2020 in unseren Alltag aufgenommen haben, gelernt haben zu fürchten, zu hassen und teilweise auch angespannt zu erwarten flimmerte in den öffentlich-rechtlichen Hauptsendern wieder über die Bildschirme: ZDF Spezial und, diesmal noch passender: ARD Brennpunkt. Nach Jahren von Corona- und später Kriegsfront-Sonderberichterstattung nach den Nachrichten, waren die Titel diesmal: „Außer Kontrolle – Waldbrände auf Rhodos“ in der ARD und, passender zur Ferienzeit, im ZDF: „Feuer im Ferienparadies – Großbrand auf Rhodos“.
Gezeigt wurden verzweifelte Tourist*innen, die von ihrer Evakuierung berichteten, herzzerreißend dargestellt. Die armen deutschen Arbeitnehmer*innen, denen der wohlverdiente und lange angesparte Urlaub von einer Feuersbrunst aufgefressen wird. Später kommen auch andere verzweifelte Tourist*innen zu Wort, denen die Hitzewelle in Südeuropa ihre Ferien unerträglich macht. Ein Bild der Betroffenheit, dass vom Publikum emphatisch aufgenommen werden kann. Weiße, von der Sonne verbrannte, von den Bränden vertriebene, von der Hitze geschwächte Deutsche, die Opfer einer aus der Bahn geratenen Natur werden und dafür wohl auch noch zahlen sollen. Deshalb nehmen der ARD Brennpunkt und das ZDF Spezial direkt Verantwortliche in die Pflicht: Im ZDF muss sich der Pressesprecher des größten Reiseveranstalters TUI Fragen zu den Evakuierungen und möglichen Umbuchungen gefallen lassen, in der ARD wird die ADAC Tourismusexpertin zu den Verantwortungen und Leistungen der Reiseveranstalter befragt. Die wichtigen Fragen also, wobei natürlich nicht nur den armen Falsch-Verreisten sondern auch den verzweifelten Hoteliers und der Tourismusindustrie in den betroffenen Ländern gedacht wird. Die einfache Botschaft der Tourismus-Expert*innen:
Der deutsche Tourismus ist eine Wohltat für den Süden, das System muss aufrechterhalten werden, auch wenn einige jetzt keinen schönen Urlaub erleben, um die wird sich aber gekümmert werden.
Ein wenig trauen sich die Sonderberichterstattenden dann aber auch weg vom Thema Waldbrände und berichten über heftige Gewitterstürme in Österreich und Norditalien, die Dächer abdecken und Bäume reihenweise umknicken lassen. Es geht um ausufernde Hagel- und Wirbelstürme und Überschwemmungen in Italien. Kurz wird auch auf den Balkan geblickt, wo Unwetter mit Stürmen und Überschwemmungen mehrere Menschen getötet haben. Ein kurzer Blick auf die Überhitzten Meere und auf die rekord-eisfreie Antarktis. Das ganze erlaubt dann doch einen kurzen Blick auf die Klimakatastrophe, die so natürlich nicht genannt werden darf. Auch nicht von der Expertin des ZDF, die renommierte deutsche Physikerin und Klimatologin Friederike Otto, die eine Leitautorin des Sechsten Sachstandsberichtes des IPCCs sowie des 2022 erscheinenden Syntheseberichtes des IPCCs ist. Sie wird ganz einfach sehr schnell vorgestellt, als jemand, dessen Forschungsschwerpunkt extreme Wetterereignisse sind und die in London lehrt. Immerhin darf sie sagen, dass das, was wir erleben, eben kein besonders heißer Sommer ist. Vielmehr ist dieser Sommer nicht mehr extrem oder sonderlich selten, in dem Klima in dem wir jetzt leben, aufgrund des menschengemachten Klimawandels. Und natürlich wird sie auch befragt, was das jetzt für zukünftige Urlaubsplanungen bedeutet… Ihr Antwort ist klar: Es wird eher schlimmer, vor allem wenn wir nicht aufhören fossile Treibstoffe zu verbrennen. Und betroffen sind dann vor allem diejenigen, die sich eine Anpassung nicht leisten können, die Armen. Die Hoffnung der Moderatorin, dass es besonders einzelne Regionen betrifft, die gemieden werden können, kann Frederike Otto nicht begründen. Hier wird lieber abgebrochen, bevor es zu ernst wird, denn im ZDF-Programm kommt gleich die Konsumentenverantwortung ins Spiel:
Die Doku „Reisen ohne Fußabdruck“
In der ARD wird hingegen der alte Trick verwendet und gar nicht erst eine Klimaforscherin eingeladen, sondern wieder auf die eisernen, einzigen regelmäßigen Klima-Berichterstatter im öffentlich-rechtlichen verwiesen: Die Meteorolog*innen. Und so darf Karsten Schwanke wieder vor einer tiefroten Wetterkarte zeigen, dass es ungewöhnlich heiß ist, auf Satellitenbildern die Rauchwolken darstellen und immerhin das Wort: „Klimakrise“ in den Mund nehmen, die diese Entwicklungen der Unwetter und Hitzewellen immer häufiger werden lässt. Aber der Ende ist eben das Wetter, und das verspricht in der kommenden Woche immerhin Abkühlung und damit: Entspannung… Ahh…
Das Ende im ARD Brennpunkt ist dann nicht der Hinweis auf das aktuelle Programm, sondern das Aufgreifen der dringend benötigten Entspannung und der Ausblick: Das Wichtigste in diesen Tagen heißt: Leben retten, wir hoffen die Feuerwehren werden Herr der Lage…
Tja, und so enden die mitunter ersten Sonderberichte zum Klimawandel mit einem versöhnlichen Ausblick und ohne politische Implikation. Und leider auch ohne den Hinweis, dass es von 3. bis zum 22. Juli die 20 global heißesten Tage in Folge gab, die je in der Geschichte der Menschheit verzeichnet wurden. Aber darüber dürfen die öffentlich-rechtlichen wohl auch nicht sprechen, weil das Darstellen der Realität, der immer schneller anrollenden Klimakatastrophe, als ein politisches Thema empfunden wird. Das würde vermutlich als Wahlkampf für die Grünen gewertet.
Schlimmer noch, am Ende würde die Realisation, dass der Flug in den Urlaub mit dem Geld aus der Arbeit für die fossile Industrie unser Überleben nachhaltig gefährdet, aus den armen verzweifelten Tourist*innen keine Opfer mehr machen, sondern ihnen eine Verantwortung zuschreiben.
Und niemand ist gern Täter!