Für diejenigen Hörer*innen die es noch nicht wissen – LORA München hat sein Studio in der Schwanthalerstraße. Haltestelle Theresienwiese, Luftlinie zur Wiesn weniger als 400 Meter. Viele unserer Mitarbeiter*innen sind derzeit deshalb jeden Morgen und Abend in den Öffentlichen mit den zahllosen Wiesngänger*innen unterwegs. So auch unser Kollege Fabian Ekstedt, dem schon 2018 auf seiner Pendelstrecke mit der U4 folgender humoristischer Kommentar eingefallen ist. In diesem Jahr nochmal neu angepasst und eingesprochen.
Für all diejenigen, denen es nicht klar ist: Leider ist die MVG auch zur Wiesnzeit nicht kostenlos! Wir wollen niemanden zum Schwarzfahren animieren. Der ganze Song „Mensch Meier“:
Es geht doch. München zeigt es dieser Tage wieder:
Öffentlicher Personen Nahverkehr kann kostenlos sein!
Und nicht nur das: Statt auf Kontrolleure setzt man hier jetzt auf Ordner, die sich um die Sicherheit der zu Beföhrdernden kümmern. Durchsagen ermöglichen es auch Orientierungslosen sich noch ansatzweise zurechtzufinden. Reinigungskräfte sind Tag und Nacht im Einsatz um die Busse und Bahnen sauber zu halten. Ein Glanzstück der Mobilität!
Natürlich ist bei einem solchen Angebot mit Überfüllung zu rechnen, aber für eine kostenlose Beförderung nimmt man das schon in Kauf. Außerdem sind die Straßen ja auch verstopft.
Gerade jetzt, nach der IAA im Klimakatastrophen-Jahr 2023, wo ständig von der Mobilitätswende gesprochen wird, lohnt es sich das Münchner Modell zu analysieren. Damit auch andere Städte dem Beispiel der Weltstadt mit Herz folgen können, hier jetzt also die Antwort auf die Frage:
Wie bekommt eine kapitalistische Großstadt einen kostenlosen ÖPNV der sich um die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer kümmert?
1. Es braucht eine Masse. Am besten ist eine Masse über alle Maßen orientierungsloser Menschen, die theoretisch vor Gericht als schuldunfähig anzuerkennen sind.
2. Diese Masse muss dennoch geschäftstüchtig und mit vollen Geldbeuteln unterwegs sein.
3. Die Massenveranstaltung muss als kulturell und traditionell wertvolles Ereignis anerkannt sein. Am einfachsten gelingt das, wenn Punkt 2, geschäftstüchtig und volle Geldbeutel, erfüllt ist.
Hier also die Handlungsanweisung für andere Städte:
Organisieren sie ein Großereignis, machen sie die Menschen sehr betrunken und knüpfen sie ihnen so viel Geld wie möglich ab.
Geld ist ein gutes Schmiermittel für die Verhandlungen mit der Stadt, vor allem wenn die Einzelhändler im Stadtgebiet auch davon profitieren.
Letztlich liegt jedem Einzelhändler daran, dass Kunden ohne Impulskontrolle in den Laden kommen und konsumieren. Durch den gestiegenen Alkoholpegel ist auch das größte Problem des Einzelhandels der letzten Jahre behoben. Schließlich sind Betrunkene zumeist unfähig auf ihren Smartphones Preise zu vergleichen oder günstiger online zu bestellen. Alles gute Argumente für ausschweifende Alkoholexzesse in der Öffentlichkeit.
Die Stadt als Anbieterin des ÖPNV sieht dann ihren Auftrag in der reibungslosen Beförderung der Drunken Cash Cows, auch weil sie weiß, dass die eingenommenen Gelder über Steuern und Abgaben wieder zurückfließen und somit den ÖPNV finanzieren. Darüber hinaus ist das Risikopotential einer Fahrscheinkontrolle in einer mit hemmungslos Betrunkenen besetzten Bahn einfach zu hoch. Die Erkenntnis hier: Wenn die Leute sich wehren und die geschäftstreibende Öffentlichkeit dennoch ein Interesse an ihrer Beförderung hat, wird der ÖPNV kostenlos.
Kämpferisch kann man sich in diesem Zusammenhang an Mensch Meier von der alten Band Ton Steine Scherben erinnert fühlen…
– Zitat
Und nachdem wir jetzt dieses ganze Beispiel durchexerziert haben, bleibt die Frage, warum nur in München, warum nur während der Wiesn?
Letztlich transportiert der ÖPNV ständig Cash Cows durch die Stadt, mal mehr mal weniger betrunken. Menschen fahren zum Einkaufen und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kaufen ein Ticket um dann ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Ein gut ausgebauter, flächendeckender und pünktlicher ÖPNV liegt also vor allem im Interesse der Gewerbetreibenden. Dementsprechend sollten sie auch den Großteil der Kosten schultern um dann von den Effekten zu profitieren.
Über eine spezielle, zweckgebundene Abgabe für den ÖPNV könnte so die Mobilitätswende gelingen. Ansonsten gelingt sie vielleicht nur von unten, wie bei Ton Steine Scherben, mit der großen Weigerung zu zahlen:
Ne, Ne, Ne, eher brennt die MVG!