Das letzte Mal haben wir uns in der Sendereihe LGBIAQ-wie? Sexuelle Identitäten und ihr Platz in München mit Queerness im Tierreich auseinandergesetzt und festgestellt, dass beispielsweise Pinguine ganz unterschiedliche Beziehungskonzepte wählen, um ihren Nachwuchs groß zu ziehen. Außerdem wissen wir, dass die Wissenschaft derlei Tatsachen lang ignoriert bzw. falsch interpretiert hat, weil die dokumentierten Beobachtungen stark männlich und vor allem auch westlich geprägt und dementsprechend eher von Monogamie und Heterosexualität ausgegangen wurde als beispielsweise von Beziehungs- oder Geschlechtervielfalt sowie Multisexualität.
Nun fragen wir uns: Was sagt das über unseren eigenen Umgang mit Beziehungen aus? Was halten wir für normal, warum ist das so und können wir unsere eigenen Beziehungen stärken, indem wir uns trauen, neue Wege zu gehen? Welche Möglichkeiten haben wir Menschen, wenn wir nicht die normative Vorstellung einer geschlossenen Kleinfamilie für uns wählen? Welche Narrative bestehen über offene und polyamore Beziehungsformen und wie viel ist dran an gängigen Vorurteilen? Da derlei Beziehungskonzepte vielen Menschen fremd oder zumindest neu sind, werfen sie viele Fragen auf. Einige der gängigsten Missverständnisse oder Verständnisschwierigkeiten möchte ich an dieser Stelle direkt aufgreifen:
1. Die Eifersucht
Viele Menschen nehmen an, dass polyamore oder offene Beziehungen keine Eifersucht beinhalten und polyamore oder offen lebende Menschen dementsprechend übermenschlich oder eben einfach unempfindlich gegenüber Eifersucht sind.
2. Die Promiskuität
Ein häufiges Missverständnis ist, dass polyamore oder offen lebende Menschen promiskuitiv sind oder eben keine ernsthaften Beziehungen eingehen können bzw. wollen.
3. Die Unsicherheit
Es wird häufig angenommen, dass polyamore oder offen lebende Menschen nicht dazu in der Lage sind, sich auf eine Person zu verlassen und diese Unsicherheit mit mehreren Beziehungen auszugleichen versuchen.
4. Die Sexuelle Freiheit als Hauptmotivation
Während Sexualität sicherlich ein Teil vieler polyamorer und offener Beziehungen sein kann, ist die Hauptmotivation oft die emotionale Verbindung und die Möglichkeit mehr als eine tiefe Beziehung zu pflegen.
5. Die mangelnde Verpflichtung
Ein weiteres Missverständnis ist, dass polyamore und offene Beziehungen weniger verpflichtend oder weniger ernsthaft sind als monogame Beziehungen.
6. Die Beziehungsdynamik
Viele Menschen haben Schwierigkeiten sich vorzustellen, wie beispielsweise Eifersucht gehandhabt wird, wie Entscheidungen getroffen oder wie Zeit und Ressourcen unter den Partner*innen aufgeteilt werden sollen.
Haben Sie ähnliche Gedanken, wenn es um die Liebe zu mehr als einem Menschen oder Sexualität außerhalb der Kernbeziehung geht? Oder stehen Sie dem offen gegenüber und möchten mehr über Kommunikation und eine respektvolle Streitkultur erfahren? In beiden Fällen sind Sie bei uns genau richtig. Gemeinsam mit Anne Ress, die als Paar-, Familien- und Sexualtherapeutin unter anderem auch in Fragen der Beziehungsvielfalt berät, werden wir Narrative aufbrechen und über konkrete Umgangsformen für verschiedene knifflige Situationen sprechen. Anne und ich haben uns dabei auf die Ansprache Du geeinigt und verraten euch zunächst, welche Beziehungsformen Menschen eigentlich so für sich wählen können.
Im Audio enthalten sind zwei Musiktipps.
- Esencia von Ketekalles & LaOtra, zu finden auf YouTube und
- Scheißegal von KAFFKIEZ, zu finden auf Spotify und YouTube.