Die Münchner SPD hat sich am Samstag im Kulturzentrum Trudering zu einem Parteitag mit dem Schwerpunktthema Sozialpolitik getroffen.
[Aus dem LORA-Magazin vom 22./23.04.2013]
Parteitag der SPD in München? Ja, doch, da war was: „Die Münchnerinnen und Münchner wissen, dass die Sozialdemokratie hier in unserer Heimatstadt sozusagen ein Garant ist für soziale Gerechtigkeit, da brauchen wir uns auch nicht zu verstecken.“
Das sagte Hans-Ulrich Pfaffmann, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und Vorsitzender der Münchner SPD während seiner kurzen Rede zur Eröffnung des Parteitags der Münchner SPD mit dem Schwerpunkt-Thema „Sozialpolitik“ am Samstag in München, und weiter:
„Wir haben eine Landtags- und Bundestagswahl zu bestehen. Und ich darf Euch jetzt schon herzlich bitten, mitzuhelfen, dass dies zum Erfolg geführt werden kann.
Es gibt eine historische Chance in Bayern die Landesregierung aus CSU und FDP abzulösen.
Wer die Zeitungen verfolgt, sieht, dass diese Regierung abgewirtschaftet hat und es Zeit wird, dass in Bayern eine andere Politik, eine Politik der sozialen Gerechtigkeit gemacht wird. Und wir haben in der Folge auch eine Kommunalwahl zu bestehen.“
Und für die Kommunalwahl im kommenden Jahr braucht die Münchner SPD ein Programm und hierüber hat der Parteitag, der am Samstag im Kulturzentrum Trudering stattfand, diskutiert. Über sozialpolitische Themen.
Dieter Reiter, OB-Kandidat für die Kommunalwahl im Jahr 2014 in seinem Grußwort: „Soziale Gerechtigkeit wird die Richtschnur bleiben für die SPD-Politik in München. Davon bin ich überzeugt. Weil wir in München eine Stadt brauchen, die im Gleichgewicht ist von Ökonomie, Ökologie und sozialer Gerechtigkeit. Und nur dann, wenn wir das schaffen, bleibt München mein München. Bleibt München Euer – unser aller – München.“
Die SPD braucht Dieter Reiter und Dieter Reiter braucht die SPD. Es wird für die Genossen nicht leicht sein, im nächsten Jahr die Kommunalwahl zu gewinnen, auch wenn die SPD hier bisher und vor allem zuletzt im Jahr 2008 immer komfortable Mehrheiten in München hatte.
Die Süddeutsche Zeitung wusste am vorletzten Wochenende von einer von der SPD in Auftrag gegebenen Umfrage zu berichten, die den OB-Kandidaten der SPD nur auf dem zweiten Platz sieht – nach Josef Schmidt, CSU -, der zu allem Überfluss auch noch der Bekanntere der Kandidaten sein soll.
Immerhin, auch wenn das Rennen um die Kommunalwahl zur Zeit noch völlig offen ist, unbeeindruckt ist Dieter Reiter nicht: Er stellt ausdrücklich fest: Er ist „auch wenn die letzten Tage die eine oder andere merkwürdige Pressemeldung das vielleicht etwas in Zweifel gestellt hat, immer noch überzeugt davon, und stolz darauf, Euer OB-Kandidat zu sein.“
Die zentrale Aufgabe des Parteitags mit seinen gut 100 Delegierten aus den Münchner Ortsvereinen war die Bearbeitung von 15 Anträgen des Arbeitskreises Sozialpolitik, aus den Ortsvereinen und des Leitantrags des Gesamtvorstandes der Münchner SPD zur sozialen Kommunalpolitik in einer solidarischen Stadt.
Es geht um soziale Gerechtigkeit als Prinzip und als Grundlage für sozialen Frieden gerade in einer großen Stadt wie München, in der Menschen sehr unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft und in ganz verschiedenen Lebenslagen aufeinander treffen. Armut will man bekämpfen, Arbeit und Beschäftigung für alle ermöglichen:
„Wir fordern einen Mindestlohn für München von EUR 10,50, sagen aber auch gleichzeitig, die bundesweite Forderung nach mindestens EUR 8,50 ist richtig. Es darf aber dabei nicht enden. Weil, ein Münchner schaut einen relativ verständnislos an, wenn man hier mit der großen Forderung EUR 8,50 in den Wahlkampf geht. Und insofern muss es immer etwas geben, was Ballungszentren anders stellt als die flache Fläche.“ Anne Hübner vom AK Sozialpolitik stellte einen Teil des Leitantrags vor.
München ist bereits eine weitgehend behindertenfreundliche Stadt – die Münchner SPD will die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen und kulturellen Leben noch weiter verbessern, Inklusion in allen Lebensbereichen umsetzen – und durch entsprechende Entscheidungen in Land und Bund auch für ausreichende Finanzmittel dafür sorgen.
Ein weiteres großes Thema im Leitantrag: Familien. Kinder, Jugendliche und Familien: „Familie ist überall dort, wo Kinder sind. Es ist völlig egal, wie die Eltern, wie die Erwachsenen zusammen leben. Sexuelle Orientierung und so was. Welches Problem da die C-Parteien damit haben, immer noch, welche altbackenen Vorstellungen die hier einbringen, das haben die Diskussionen der letzten Monate gezeigt, welchen Spagat. Das ist ja bei denen nicht nur so mit Frauenquote und dergleichen. Es geht ja auch schon beim Familienbild los. Es ist unsäglich, wie hier eigentlich Politik betrieben wird, und damit muss Schluss sein! Damit muss Schluss sein im Land, im Bund. Es braucht einen modernen Familienbegriff und vor allem eine moderne Familienpolitik. Dinge wie Betreuungsgeld passen da einfach nicht dazu, deswegen sagen wir: Weg damit!“ – Markus Schön vom Arbeitskreis Sozialpolitik.
Und noch ein wichtiger Punkt aus dem Leitantrag unter der Überschrift „In Würde und Selbstbestimmung alt werden“: Neben vielen anderen Punkten wurde da beschlossen, dass der Ausbau der Pflegeversicherung zu einer solidarischen Vollversicherung, die das Lebensrisiko Pflegebedürftigkeit verlässlich absichert, umfassend geprüft werden soll.
Noch einmal Anne Hübner vom Arbeitskreis Sozialpolitik: „Weil, das ist auch ein Thema, das ganz viele Menschen bewegt, weil jeder in seiner Familie irgendwann mit großer Wahrscheinlichkeit einen Fall haben wird, wo die Mutter oder der Vater oder auch ein jüngerer Mensch pflegebedürftig wird. Und dann haben viele Menschen Angst, dass das, was sie vorher über Jahrzehnte mühsam angespart haben einfach hinweg schmilzt innerhalb kürzester Zeit. Und es würde garnicht soviel Erhöhung des Pflegeversicherungssatzes bedeuten, um eben aus dieser ‚Teilkasko‘ eine ‚Vollkasko‘ zu machen. Und ich denke, das wäre ein sehr, sehr gutes Thema auch für den Wahlkampf und die Zeit danach.“
Ja, wohl besonders für die Zeit danach, wenn es an die Umsetzung geht, will ich meinen.
Ich erwähne hier die beabsichtigte interkulturelle Öffnung der Altenhilfe-Einrichtungen nur kurz, durch die mehr auf die Belange von alten Menschen mit Migrationshintergrund eingegangen werden soll.
Diesen Antrag und 15 weitere, die sich mit einer Verbesserung der Teilhabe von Migrantinnen und Migranten am öffentlichen Leben, mit der Flüchtlingspolitik, einem Finanz-TÜV für die private Altersvorsorge, dem Verbleib der Münchner städtischen Kliniken in kommunaler Hand usw. befassten, arbeitete der Parteitag durch, am Ende gab es hier und da eine kleine redaktionelle Änderung oder textliche Klarstellungen.
Wie es üblich ist, wurde nicht über jeden Antrag abgestimmt, sondern Einiges auch an andere Gremien zur weiteren Bearbeitung verwiesen.
Dazu gehörte auch der Antrag für ein Pilotprojekt „24-Stunden-Kita“ vom Ortsverein Schwabing-Alte Heide: „Ich wollte zu dem Antrag mit der ’24-Stunden-Kita‘ schon noch mal sagen, dass uns das sehr am Herzen liegt. Weil, wir sind für Gleichstellung in allen Bereichen: Frauen, Behinderte, Alte, Junge, aber die, die blöder Weise einen Beruf haben, der die Arbeitszeit dann hat, wenn andere Freizeit haben, die haben schlechte Karten, wenn sie ihre Kinder betreuen lassen wollen. Und es gibt anderswo Beispiele, wo das funktioniert. Und das soll ja sicher nicht die Regel sein, dass man seine Kinder in der Nacht abgibt, aber die Möglichkeit muss es auch für Leute geben, die abends arbeiten, Kinder betreut zu bekommen.“
Der nächste Jahresparteitag der Münchner SPD wird darüber entscheiden.
4 Stunden dauerte der Parteitag am Samstag, und bevor er sich mit den Anträgen beschäftigt hat, gab es nicht nur eine 1stündige Rede der Bürgermeisterin Christine Strobl – wir hören gleich hinein – sondern es wurden exemplarisch Projekte sozialer Arbeit in München vorgestellt und auch konkrete Fälle aus der Beratungspraxis, zum Beispiel aus der Schuldnerberatung des DGB, vorgestellt.
Dies zusammenfassend darzustellen sprengt den Rahmen dieses Beitrages, ich denke, wir werden die Vorstellung im Rahmen der Sendung „Soziale Welt“ an einem Mittwoch ab 17 Uhr ins Programm nehmen. Mehr dazu in unseren Programmhinweisen oder auf lora924.de.
Eine große programmatische Rede darf auf keinem Parteitag fehlen. Diese Rede hat für die SPD am Samstag Christine Strobl gehalten, die natürlich stolz auf Ihre Partei ist und schon mal den Wahlkampf für die Kommunalwahl 2014 eröffnet hat:
„Und das müssen wir auch den Menschen im Hasenbergl, in Moosach, in Neuperlach, in Berg-am-Laim und sonst wo sagen, dass es eben nicht egal ist, wer in dieser Stadt regiert. Sondern dass es auch für sie von existentieller Bedeutung ist.
Und wir müssen ihnen sagen, dass es Sinn macht, wählen zu gehen, und das es Sinn macht, SPD zu wählen, weil ich der Meinung bin, dass es wichtig ist, dass wir bei der nächsten- nicht nur bei den Landtags- und Bundestagswahlen, ich beziehe mich jetzt auch ganz stark natürlich auf die Kommunalpolitik – … weil es wichtig ist, dass die SPD wieder stärkste Fraktion natürlich im Rathaus wird, und das wir wieder einen sozialdemokratischen Oberbürgermeister mit Dieter Reiter bekommen.
Wir wollen diese Stadt eben nicht den Privatisierern, dem freien Spiel der Märkte und dem internationalen Kapital überlassen. Und den Rechtspopulisten schon garnicht, liebe Genossinnen und Genossen. Und manchmal müssen wir uns das auch ganz leise selbst sagen, dass wir das nicht wollen.
Weil es eben nicht egal ist, wer in dieser Stadt an führender Position ist. Und wir müssen den Menschen auch sagen, dass sie dem liberalen Deckmäntelchen der CSU in dieser Stadt kein Vertrauen schenken dürfen. Die machen es sich ja immer supereinfach. Die stellen sich da auch im Sozialausschuss – wir kennen das ja – hin, sind für alles und jedes. Und es ist alles super, und wir sollen ja noch viel, viel mehr machen. Aber wenn’s dann um die Wurscht geht, nämlich überall da, wo sie etwas zu sagen haben, da sieht die Situation ganz, ganz anders aus.
Das geht los – wenn ich jetzt an den sozialpolitischen Bereich denke, was mich immer besonders ärgert – mit dem Umgang mit Flüchtlingen in diesem Land. Das ist einfach eine Katastrophe.
Und wenn wir in dieser Stadt nicht immer auch mit freiwilligen Leistungen in diesem Bereich tätig wären, und uns gerade auch bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen immer engagieren würden – was wir auch müssen, aber was wir auch gerne tun – dann wäre die Situation eine andere.
Und man hat’s jetzt gesehen bei den GBW-Wohnungen. Ungehemmte Privatisierung. Das ist denen völlig egal – ich brauch‘ das hier nicht weiter ausführen, Ihr kennt’s des alle.
Die verscherbeln nicht nur diese Wohnungen, sie haben in den früheren Zeiten auch alles, was die Steuerzahler in Bayern mit ihrem Geld geschaffen haben auch skrupellos verscherbelt.
Und ich denke, das wollen wir in München auf keinen Fall haben.“
Christine Strobl, Münchner Bürgermeisterin, wir haben am Ende dieses Beitrages kurz in das Ende ihrer Rede über die soziale Stadt München auf dem Parteitag der Münchner SPD hineingehört.
Die Münchner SPD, die sich zur Zeit Sorgen um Ihre Zukunft macht, aber gleichzeitig Zuversicht … vielleicht nicht gerade ausstrahlt …, aber doch genug Selbstvertrauen hat, sich der Münchner CSU entgegen zu stemmen.