In Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes steht seit 1949 der Satz: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, den die Juristin und SPD-Politikerin Elisabeth Selbert durchgesetzt hat. Und schon im Folgesatz heißt es seit 1994 ausdrücklich: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Damit scheint alles klar, der Staat hat sich um die Durchsetzung der Gleichberechtigung zu kümmern. Doch warum sind heute noch in deutschen Parlamente wesentlich mehr Männer als Frauen vertreten? Im Deutschen Bundestag liegt aktuell gerade mal bei 30,9 %.
Gegen dieses Ungleichgewicht geht der Verein Parité in den Parlamenten seit Jahren juristisch vor. Angefangen mit einer bayerischen Popularklage, die 2018 vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof abgewiesen wurde, zogen die Kläger*innen zum Bundesverfassungsgericht. Sie rügten eine grundgesetzwidrige Interpretation des Gleichberechtigungsgebots der Landesverfassung durch den Verfassungsgerichtshof. Der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts wies die Beschwerde 2021 als „unzulässig“ zurück, ebenso wie die erste Wahlprüfbeschwerde gegen die Bundestagswahl 2017, die wegen der Unterrepräsentanz von Frauen im Bundestag im Jahre 2019 erhoben und am 15.12.2020 zurückgewiesen wurde. Diese Entscheidung gab das Bundesverfassungsgericht jedoch erst am 02.02.2021 bekannt. Darin lässt das höchste deutsche Gericht offen, ob paritätische Wahlgesetze, die die Parteien zur gleichmäßigen Nominierung von Frauen und Männern auf den Kandidatenlisten und in den Wahlkreisen verpflichten, grundgesetzkonform sind. Auch eine mögliche Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer paritätischen Gesetzgebung lässt das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung offen.
Hervorzuheben ist, dass das Gericht in Karlsruhe nicht den Urteilen der Landesverfassungsgerichte in Thüringen und Brandenburg aus dem Jahr 2020 folgt, wonach die gesetzliche Verpflichtung zur abwechselnden Nominierung von Frauen und Männern auf den Kandidatenlisten der Parteien gegen die Landesverfassungen verstoßen soll – die Paritätsgesetze in Thüringen und Brandenburg wurden gekippt.
Insbesondere folgt das Bundesverfassungsgericht nicht dem Potsdamer Verfassungsgericht. Danach ist es offenbar für die Demokratie in Brandenburg völlig irrelevant, ob überhaupt eine Frau als Abgeordnete im Landtag sitzt. Ebenso viele Parlamentarierinnen wie Parlamentarier scheinen geradezu schädlich für die Demokratie, da das Gericht die Gleichberechtigung von Frauen und Männern als „wahlrechtsfremden Zweck“ betrachtet.
Der Blick richtet sich jetzt auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 2020 zur ersten Wahlprüfbeschwerde. Denn dort formuliert das Gericht auf 40 Seiten ausführlich den verfassungsrechtlichen Maßstab für paritätische Wahlgesetze und eine zweite Wahlprüfbeschwerde, die nach der Bundestagswahl 2021 zu erwarten ist. Es geht letztlich um Demokratie, Parteienrechte und die Gleichberechtigung von Frauen, Art. 3 Absatz 2 des Grundgesetzes.
Wie lässt sich die Entscheidung des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts darüber hinaus einordnen? Hören wir die Einschätzung von Silke Laskowski, Professorin für öffentliches Recht in Kassel.