Wir reden und reden um den heißen Planeten herum. Klar, den Klimawandel gibt es, aber wir müssen auch an die Arbeitsplätze denken! Klar, die Klimakrise ist nicht so toll, aber eigentlich wollten wir ja über Steuersenkungen sprechen. Das ist frustrierend, für viele. Für die junge Generation sogar besonders, weil sie von den Folgen ungleich länger und damit auch schlimmer betroffen sein wird und deutlich weniger an einer Veränderung mitgestalten kann.
Um dieser Frustration Luft zu verschaffen und ein Zeichen gegen das „Weiter so“ zu setzen, begann vor mittlerweile 3 Jahren und 12 Tagen die Idee des Schulstreiks. Schülerinnen und Schüler hatten ein Mittel gefunden, wie sie der älteren Generation zeigen konnten, dass ihre Zukunft aktiv gefährdet ist: Indem sie bei dem streikten, was ihre Zukunft nach Ansicht der Älteren am meisten beeinflusst – ihre Bildung. Es schlossen sich immer mehr Gruppen an – Wissenschaftlerinnen, Eltern, Arbeiterinnen – waren alle plötzlich „for Future“
Doch die eigentliche Herausforderung ist noch nicht gelöst. Wenigstens ist das Aufregerthema der Vergangenheit – die Verweigerung am Freitag die Schule zu besuchen – mittlerweile keines mehr. Bei der offensichtlichen Dringlichkeit des Problems scheint es absolut verständlich, wenn es einigen Aktivistinnen und Aktivisten nicht schnell genug gehen kann, die Klimaneutralität nach vorne zu bringen. Sie sehen sich als Mitglieder der letzten Generation, die noch Einfluss auf die drohende Katastrophe nehmen kann, knüpfen an die Drohung des Schulstreiks an und riskieren ihre persönliche Zukunft. Nur viel einschneidender und fatalistischer als es Greta Thunberg jemals tat: 7 junge Menschen sind am Montag in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. Aktuell campen sie hungernd mit Unterstützer*innen im Berliner Regierungsviertel. Und stellen dort ihre Forderungen direkt an Baerbock, Laschet und Scholz. Diese lauten wie folgt:
1. Ein sofortiges Gespräch mit Ihnen, den drei Kanzlerkandidat*innen Herrn Laschet, Herrn Scholz und Frau Baerbock, über den Mord an der jungen Generation.
2. Das Versprechen von Ihnen, in einer neuen Regierung direkt einen Bürger*innenrat einzuberufen. In diesem sollten Sofortmaßnahmen gegen die Klimakrise, unter anderem eine 100% regenerative Landwirtschaft, besprochen werden.
Ihren Hungerstreik, so kündigen die Streikenden an, wollen sie erst beenden, wenn ihre Forderungen erfüllt werden. Wir bei LORA München waren uns nicht sicher, wie wir mit dieser selbstgefährdenden Art des Protests umgehen sollen. Wir gehen aber davon aus, dass früher oder später von anderer Seite darüber berichtet werden wird, und haben uns daher entschlossen, frühzeitig einen der Hungernden bei uns im Programm zu Wort kommen zu lassen.
Simon Helmstedt ist 22 Jahre jung und hungert seit 3 Tagen. Immer noch etwas schockiert von seiner Protestform wollten wir als erstes von ihm wissen, ob sein Hungerstreik wirklich die Lösung für etwas sein kann, was der massenhafte Schulstreik nicht geschafft hat.
Soweit Simon Helmstedt, einer der hungerstreikenden 7, die die Aktion „Hungerstreik der letzten Generation“ durchführen. Wie anfangs erwähnt haben wir mit uns gerungen, ob wir dem Hungerstreik Aufmerksamkeit geben sollen – einerseits stellt sich die Frage, ob ein Interview mit einem offensichtlich durch den Hunger unkonzentrierten jungen Aktivisten redlich ist. Andererseits droht bei einem zu unreflektierten Umgang mit dem Thema Hungerstreik die Gefahr, dass junge Menschen sich daran beteiligen.
Allerdings ist klar, dass Simon uns das Interview geben wollte und er wohl auch am dritten Tag des Hungerstreiks noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist. Ein Wegducken vor diesem harten Thema soll es nicht geben. Um die Gefahr der Nachahmung aus Verzweiflung zu vermeiden, haben wir uns dann aber entschlossen dieses Interview einzurahmen. Hören Sie dazu bitte auch noch unser Interview mit den Psychologists for Future, bzw. wenden Sie sich direkt an diese, wenn Ihnen der Klimawandel und die Politik dagegen die Lust am Leben verderben sollten – https://www.psychologistsforfuture.org/