COB – Civilians on the Battlefield – Zivilisten auf dem Schlachtfeld

Der COB-Vertrag wurde durch die US-Army neu ausgeschrieben. Deshalb werden für die kommenden Rotations Statist_innen gebraucht.
Die Anzeige stand in der Abendzeitung am Wochenende davor: „Gesucht werden Statisten für Rollenspiele bei Trainingseinsätzen der U.S. Army.“ Bewerben konnte mensch sich am Sonnabend, den 27. Februar 2010 zwischen 9 und 12 Uhr im Münchner Best Western Hotel Cristal in der Schwanthalerstraße bei der Firma Optronic.
Es kamen ungefähr 50 Menschen, die Arbeit suchten. In den billigeren Räumen im 7. Stock des Hotels wurden die Bewerber_innen gesammelt. Die Atmosphäre erinnerte an ein schmuddliges Arbeitsamt.
Ein Bewerbungsbogen sollte ausgefüllt werden: Persönliche Daten, Angaben zu Ausbildung und Sprachkenntnissen und der Beweggrund für die Bewerbung.
Bei den Sprachkenntnissen waren Deutsch, Englisch, Arabisch, Pashtu und Dari gesucht.
Nach Abgabe des Bewerbungsbogens wurde der Personalausweis kopiert, die Person bekam eine Nummer auf die Brust geklebt und wurde fotografiert.
Blätter mit Sprachtests wurden ausgeteilt. Was heißt „A Tank got stuck about 3 miles east of our village.“ auf Deutsch? Und was „Unser Rathaus wurde letzte Woche durch ein Feuer zerstört.“ auf Englisch? Was heißt „Er ist nicht schuldig!“ in (modernem) Arabisch, „Wer ist das?“ und „Gute Nacht!“ in Pashtu und „Gehen Sie diese Treppe hinauf“ in Dari.
Im Raum nebenan gab es einen Powerpoint-Vortrag.
Ein Mann, der sagte, dass er Student wäre und an den COB-Spielen teilgenommen hätte, erzählte. Zwischen Mai und Oktober finden auf einem US-Militärgelände bei Hohenfels in der Nähe von Nürnberg die „Rollenspiele“ statt. Ein Durchgang zieht sich jeweils über drei Wochen. Außer Zigaretten sind jegliche Drogen verboten. Kommunikationsmittel nach „draußen“ – wie Handy und Laptop – sind untersagt. Für Notfälle gibt es (natürlich) ein Telefon.
Auf dem Gelände herrsche US-Recht.
Es gibt 90 Euro am Tag fürs Spielen von 5 bis 22 Uhr, für den 24-Stunden-Dienst gibt sogar 100 Euro. Schlüsselrollen kriegen 130 Euro. Die Rolle Bürgermeisters ist so eine.
Frauen dürfen nicht Bürgermeister spielen, doch „gibt es sicher auch für sie tragende Rollen“. Alles soll ganz realistisch sein. Kinder gibt es keine im Dorf der Realität.
Hunde dürfen nicht mitgebracht werden. Aber Handtücher.
Wer vorzeitig abbricht, bekommt 30% der „Lohnsumme“ abgezogen.
dorf_Die US-Soldaten sollen lernen, „liebe“ von nicht so lieben Dorfbewohner_innen zu unterscheiden.
Es sei doch besser, sie lernten das „vorher“. Bevor sie in ihrer friedlichen Mission (zum Beispiel) nach Afghanistian reisten, um dort die Welt in Ordnung zu bringen. „Wie soll denn ein Soldat einschätzen können, wer da vor ihm steht?“
Bevor die Spiele eröffnet werden, gibt es einen Einführungskurs, damit ein_e Teilnehmer_in in dunkler Kleidung, die nachts auf der Dorfstraße rumläuft, nicht vom Panzer überrollt wird.
Die Mitspieler_innen tragen Infrarot-Detektoren (M.I.L.E.S.). Falls einem US-Soldaten „außer Versehen“ ein Schuss rausrutscht, weiß die getroffene Person, dass sie in diesem Level erstmal tot ist. „Über Sender auf den Gewehren der Soldaten kann so festgestellt werden ob in der Realität Zivilisten zu Schaden gekommen wären.“
Immer wieder kommen Fragen von Bewerber_innen, die noch immer nicht durchschaut haben, dass es sich bei den „Rollenspielen“ mit „Statisten“ nicht um ein Filmprojekt handelt. „Steht denn der Titel von dem Film schon fest?“ fragt ein Ägypter in gutem Deutsch. Der Animationstext wurde wirklich sehr geschickt formuliert: „Gesucht werden Statisten für Rollenspiele bei Trainingseinsätzen der U.S. Army. Durch die Statisten wird die Zivilbevölkerung in Krisengebieten dargestellt. Dadurch wird ein realitätsnahes Übungsszenario für die Soldaten und somit eine optimale Vorbereitung für deren Auslandsmissionen erreicht.“
Einige Bewerber_innen zerreißen ihre Bewerbungsbögen nach dieser Information und gehen.
Vor dem Hotel taucht die Optronic-Konkurrenz auf. MEPS (Military Effective Products & Services) verteilt ebenfalls Bewerbungsunterlagen.
Ein Optronic-Mitarbeiter kommt vors Hotel und redet mit den Protestierenden, die flyerverteilend auf dem Gehweg stehen. Es kommen die Begründungen ohne die es sicher nicht geht, um diesen Job überhaupt machen zu können. „Wenn wir es nicht machen, macht es ein anderer …“
Zwei Bewerber stehen vor dem Hotel und denken über das verteilte Flugblatt nach. Der eine holt eine große Flasche Schnaps aus seiner Tüte. Ob der wohl die drei Wochen drogenfrei hätte durchhalten wollen?

Vor dem Hotel verteilter Flyer
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Keine Statisten für den Krieg in Afghanistan!

Seit 2001 eskalieren die NATO-Staaten den Krieg in Aghanistan – ein verarmtes Land in dem 61% der Bevölkerung unterernährt sind. Ein Land in dem gleichzeitig für investierende westliche Konzerne durch neoliberale Wirtschaftsreformen im Rahmen der Besatzung eine der, laut Bundesamt für Außenwirtschaft, „offensten Volkswirtschaften überhaupt“ durchgesetzt wurde. Ziel der NATO-Staaten ist es dabei, sich durch Truppenpräsenz und Unterstützung loyaler Regimes einen strategischen Vorteil bei der Kontrolle über Rohstoffe und Transportwege in Zentralasien zu sichern. Tausende Afghan_innen haben durch diesen Krieg ihr Leben verloren, die Opferzahlen steigen Jahr für Jahr stetig (siehe z.B. Kundusskandal):
Nahe dem Truppenübungsgelände in Hohenfels wird im kommenden Mai wieder für ca. 3 Wochen realitätsnah der US-Militäreinsatz in Aghanistan geübt. Hierzu sucht die Firma Optronic im Auftrag des US-Militärs heute im Best Western Hotel in München Statist_innen, die die afghanischen Bevölkerung bei Einsatzübungen wie dem Erstürmen von Wohnungen, der Durchführung von Konvoifahrten etc. nachspielen sollen. Doch wer sich hier ein paar Wochen Spass bei Kriegsspielen erhofft, wird laut Bericht der Berliner Zeitung enttäuscht: 14 Stunden Einsatz am Tag bei Wind und Wetter, 60 Personen pro Schlafraum – vor einigen Jahren war das Grund für etliche Teilnehmende, die Übung vorzeitig abzubrechen und eine Sammelklage gegen Optronic anzustrengen (1). Solche Details werden in der Ankündigung geflissentlich verschwiegen, Optronic weiss aber, dass die Arbeitsbedingungen für viel zu hart sind. Firmenchef Truppel sagte gegenüber der Berliner Zeitung, dass einige Dutzend Abbrecher_innen im „Rahmen des Üblichen seien“. Die Firma Optronic GmbH ist nicht nur wegen ihrer Zusammenarbeit mit dem US-Militär bekannt, der Geschäftsführer Hans-Werner Truppel machte in den Jahren 2003/04 wegen Lieferungen von Material für die Urananreicherung nach Nordkorea von sich reden (2). Hierfür musste Truppel sich vor dem Stuttgarter Landesgericht wegen gewerbsmäßigem Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz und „versuchte Förderung der Herstellung einer Atomwaffe“ verantworten. Zwei Millionen Euro Kaution, hat Truppel der Justiz angeboten, um nach monatelanger Untersuchungshaft nach Hase zu dürfen – diese wurde abgelehnt (3). Was folgte, waren vier Jahre Haft für Herrn Truppel (4), was wohl dazu führte, dass das US-Militär für eine Zeitlang lieber mit der Firma SST zur Anwerbung der Statisten für die Kriegsübungen zusammenarbeitete.

(1)www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2002/0312/berlin/0070/index.html Berliner Zeitung am 12. März 2002

(2)www.spiegel.de/spiegel/print/d-26950121.html Spiegel Online am 28. April 2003

(3)www.spiegel.de/spiegel/print/d-28653197.html Spiegel Online am 22. September 2003

(4)www.heise.de/tp/r4/artikel/17/17662/1.html Heise Online am 18. Juni 2004

www.imi-online.de

womblog.de/2009/11/26/casten-fr-den-krieg-deutsche-firma-wirbt-zivilisten-fr-us-kriegsbungen/

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