Der Balkan blutet aus. Ein Kommentar von Sadija Klepo

Aus der Sendung „Blickpunkt Balkan“ vom 02.01.2017
Der Balkan zur Jahreswende 2016/17
Der Balkan blutet aus.
Ein Kommentar von Sadija Klepo.
Hier als Audio Datei zum Nachhören.

Das Neue Jahr hat auf dem Balkan mit unzähligen Silvesterpartys begonnen.  In Zagreb strahlten bis Silvester die Weihnachtsmärkte, die zum zweiten Mal als die schönsten in Europa gewählt wurden. In Sarajewo feierten mehr als 100.000 Menschen unter kaltem blauen Himmel zusammen den Jahreswechsel. In Ljubljana, Belgrad, Podgorica, Skopje – überall wurden unzählige Knaller losgelassen und ausgelassen gefeiert. Dabei geht es am nächsten Wochenende weiter, denn es kommt die orthodoxe Weihnacht am 6./7. Januar und am 13. Januar beginnt dann das orthodoxe Neue Jahr.

Die Situation  auf dem Balkan ist leider alles Andere als Grund zum Feiern und unbekümmert zu sein. Zwischen Kroatien und Serbien bestehen große Spannungen.
Kroatien hat versucht die Eröffnung des Kapitels „Kultur“ in den EU-Verhandlungen mit Serbien zu verhindern, hat aber dann doch endlich zugestimmt.
In Mazedonien will nach den Dezemberwahlen jede der beiden großen Parteien die Regierung bilden. Sowohl die konservative UMRO von Nikola Gruevski, aber auch die erstarkt aus der Wahl hervorgegangenen Sozialdemokraten unter Zoran Zaevs erheben Anspruch, die Regierung zu bilden.
Bis zum 20. Januar muss dies in Mazedonien geschehen.
Kosovo und Montenegro streiten um die Grenzziehung. Es geht um 8000 qkm Wald in den Bergen des Südwestens von Kosovo, worauf Montenegro Anspruch erhebt.
In Bosnien-Herzegowina herrscht eine katastrophale unsichere politische Situation, in der Milorad Dodik ungestört weiter Angst verbreitet. Er plant für 2018 ein Referendum zur Abtrennung der Republika Srbska vom Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina.
Und die jungen Menschen aus allen Staaten des Balkans verlassen massenweise ihre Heimat. Die Zahlen sind erschreckend: Serbien haben 2016 40.000 Fachkräfte verlassen, in Kroatien waren es 38.000 und aus Bosnien-Herzegowina mehr als 30.000. Die Krankenhäuser sind ohne Fachärzte und Krankenschwestern. Eine Ärztin aus Zagreb sagte mir, dass nun die Rentner kommen müssen, um dringende Operationen durchzuführen. Der Balkan blutet aus!
Was erwarten nun diese Region und ihre Menschen im Jahre 2017? Die Europäische Union ist mit sich selbst beschäftigt. Darf sie aber den Balkan alleine lassen? Diese Frage muss bald beantwortet werden, denn frei nach Cicero:  Historia est Magistra Vitae – Die Geschichte ist die Lehrmeisterin des Lebens.
Lora München auf der 92.4   Blickpunkt Balkan am 02.01.2017
 

2 Kommentare

  1. Eine sehr treffende Beschreibung der Situation auf dem Balkan!
    Die Länder, die sogar nach dem letzten Krieg auf verschiedenen Ebenen langsam miteinander verbunden zu sein schienen, lassen die Tensionen wieder steigen. Und der Nationalismus wächst!
    Jeder ist mit eigenen Problemen beschäftigt, jeder blutet für sich, beschuldigt für alles aber die Nachbar oder die Flüchtlingswelle. Wie auch überall in Europa und vielerorts auf der Welt – scheinen die Geselschaften in Angst und daraus resultierenden Egoismus abzudriften. Ökonomisch geht es allen immer schlechter, aber in solchen Situationen wird alles destruktiver, anstatt dass Menschen sich vereinen, um Probleme zu lösen. Es werden keine Lösungen gesucht, sondern Sündenböcke.
    So schwindet die Hoffnung auf ein besseres Morgen

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