Trotz seines internationalen Erfolgs werkt und lebt Wolfgang Flatz immer noch in München. Am Donnerstag hat das Oberlandesgericht entschieden, dass die Räumung seines Wohn- und Arbeitsplatzes auf der Praterinsel rechtmäßig ist. Der neue Eigentümer Urs Brunner hatte ihm gekündigt. Für die verschlafene bayerische Provinz ist es ein logischer, wie überfälliger Schritt, für progressive städtische Ambition ein weiterer Stoß zum Tode hin.
Kunst muss anecken, muss provozieren und soll zum kritischen Nachdenken anregen. Wolfgang Flatz will so die Wahrnehmung der Betrachter anregen, welche im Alltag von einer „menschlichen Teilnahmslosigkeit“ geprägt sei. Das wird ihm aber auch zum Vorwurf gemacht, denn die Übertreibung kann leicht ins Triviale führen. Dann wird aus konzeptioneller Aktionskunst verwertbare Pop Art. Doch wer Grenzen zieht, übersieht leicht die Grenzgebiete, in denen sich die Welt reibt, spürt und durch die Wahrnehmung von Unterschieden erlebt. Und das ist der Kern der Arbeit von Wolfgang Flatz.
Wo wir wieder bei der Provinz wären. Provinziell beschreibt sich durch eine verengte Geistigkeit. Also durch eine Stelle im Denken, an der es einfach nicht mehr weiter geht. Dort, wo das Gewohnte so raumfüllend ist, dass für Grenzüberschreitungen kein Platz ist. Hier verbietet sich jeder weitergehende Gedankengang, da ein solcher das feste Gerüst der Engstirnigkeit in Frage stellen würde. Kunst wird so zum potentiell systemgefährdenden Element. Vor allem in der Provinz.
So ist es nur logisch, dass ein kantiges Urgestein wie Wolfgang Flatz nun endlich als der Fremdkörper der er ist identifiziert und jetzt folgerichtig nach über dreißig Jahren künstlerischem Wirken aus der Mitte unserer reinen und beschaulichen Stadt der Zukunft vertrieben wird. Mit ihm musste auch eine geflüchtete ukrainische Künstlerfamlie aus seinem Atelier auf der Praterinsel ausziehen. Denn es soll schön werden in München. Nur nicht Nachdenken. Zeit für einen Neubeginn. So geht der Flatz. Nach Namibia.
Hören Sie hier das Interview mit dem in Münchnen wirkenden Aktionskünstler Wolfgang Flatz über sein Werk, von der Kunst der Lehre und seinem derzeitigen Wirkungsthema: „Global Culture Transfer“, der Idee des Internationalen Ausstauschs zum Aufbau einer Menschheitskultur. Als feste Grundlage dafür soll eine von ihm gestiftete Kunstakademie in Namibia dienen. Nächstes Jahr soll es losgehen.
Davor könnt Ihr ihn aber noch ein letztes Mal in seinem Atelier auf der Praterinsel 3 – 4 erleben. Eine Woche nach dem Gerichturteil, am Donnerstag den 24. November 2022 ab 19 Uhr wird Wolfgang Flatz seinen Werkraum so beenden, wie er ihn 1989 eröffnet hat: Mit 1000 Bierdosen. Alle sind eingeladen.
U.a. mit DJ Hell – Hr. Klotz – DJ Mirko Hecktor – djkranklaut – Yaniv Tal – Silvan – Marius Marulus – Jango S -UnchainedEnergy – SMRSLV
„Nach dem Urteil des OLG vom 17. Nov. 22 wird das Wohnatelier des Künstlers Flatz auf der Praterinsel als gewerblicher angemieteter Raum qualifiziert, obwohl der Künstler seit über 30 Jahren dort wohnt. Laut Gericht ist der Schwerpunkt des ursprünglichen Anmietungszwecks als Atelier Gewerberaumnutzung. Ein Gewerberaummietvertrag kann ohne Grund gekündigt werden. Es besteht also kein Kündigungsschutz wie bei einem Wohnmietvertrag. Mit dem Urteil ist die Räumungsklage des Herrn Brunner durchgegangen. Ab 17. Nov. 22 ist Flatz wohnungslos.“
– Wolfgang Flatz in seiner Presseaussendung
Zum Weiterlesen:
SZ vom 19.11.2022, Evelyn Vogl: Künstler Flatz muss Praterinsel räumen
AZ vom 19.11.2022, Carmen Merckenschlager: Münchner Künstler Flatz ist wohnungslos