Kommentar zur aufrechterhaltenen Regierungskrise und der Berichterstattung darüber.
Regierung ist nur noch Krise. Nach einer langwierigen Regierungsbildung erleben wir jetzt, wie das Krisenbarometer der Bundesregierung durch die kleine bayrische Schwesterpartei der CDU hochgehalten wird.
Das Ganze hat System. Dabei geht es meiner Meinung nach nicht so sehr um die Rettung der Volksparteien vor den Populisten, wie manch einer derzeit Glauben machen will. Viel mehr geht es darum den Diskurs zu lenken und zu bestimmen. Nachdem die selbsternannte „Alternative für Deutschland“ jahrelang den Diskurs über Angstszenarien auf die Zuwanderung und Fluchbewegungen gelenkt hat, nutzt die selbsternannte „Christlich Soziale Union“ das Thema um von ihren wunden Punkten und offenen Flanken abzulenken.
Und das funktioniert wunderbar. Die ganze Republik spricht nach dem Ausscheiden der Fußballnationalmannschaft der Männer nur noch über Seehofer, Merkel und Söder. Andauernd bekommt man live-Berichte vor verschlossenen Türen und kurze Statements die die Aufmerksamkeit für die Krise aufrechterhalten sollen. Wen erinnert das nicht an die Zeiten der Regierungsbildung. Auch damals standen die Kameras vor verschlossenen Türen und Journalisten berichteten, dass sie eigentlich nichts zu berichten haben, aber es jeden Augenblick so weit sein könnte.
Nur eine Idee hierzu: Was wäre wenn man die Leute einfach in Ruhe streiten und verhandeln lässt. Einmal am Tag einen Hinweis über die aktuelle Situation würde mir absolut ausreichen.
Dann könnten die zahlreichen Journalisten auch mal wieder ihre demokratiebereichernde Aufgabe als 4. Macht im Staat wahrnehmen. Letztlich sollen die Medien Stimmen aus der Gesellschaft in den öffentlichen Diskurs einbringen und dadurch die Politik auf Missstände aufmerksam machen. Es geht darum den öffentlichen Diskurs mit Fakten zu unterfüttern und Politikversagen öffentlich zu machen. Der Einwand, dass gerade eben ja eigentlich nur noch über Politikversagen berichtet wird, mag berechtigt sein. Allerdings läuft diese Berichterstattung nach den Regeln der besagten Politiker. Sie verstehen das Spiel mit der Presse und wissen, wie sie die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Gerade für die bevorstehende Landtagswahl in Bayern ist das sehr praktisch für die CSU und Söder. Für letzteren wäre es vermutlich unangenehm, wenn es nicht mehr um die angebliche Flüchtlingskrise gehen würde. Sonst käme man ja noch auf die drängenden Probleme in Bayern zu sprechen.
Dann müsste sich Ministerpräsident Söder dazu äußern, warum er die GBW verkauft hat und jetzt eine neue staatliche Wohnungsbaugesellschaft namens „Bayernheim“ plant. Oder darüber, dass Leute die geförderten Wohnraum über die GBW hatten heute mit Mieterhöhungen zu kämpfen haben, wenn sie nicht gleich entmietet werden, mit teils verbrecherischen Methoden.
Man könnte allerdings auch über die Flächenversiegelung reden, der in Bayern täglich 13 Hektar zum Opfer fallen während Gewerbeflächen leerstehen.
Außerdem gibt es da noch die Energiewende und die fehlende Nord-Süd-Leitung für Windenergie aus dem Norden. Insgesamt ist der Klimaschutz ein Thema, dass nach den letzten schweren Unwettern und monatlichen Rekordzahlen bei den Durchschnittstemperaturen dringend deutlicher aufs politische Parkett gehört.
Was haben wir noch? Luftverschmutzung, Dieselabgase, mangelnde Steuergerechtigkeit bei Unternehmen mit Geschäftsstellen in München, wie Alphabet und Apple, steigende Mietpreise, Umgehung des Mindestlohns, und nicht zuletzt die Herausforderungen für den Arbeitsmarkt in Zeiten der Digitalisierung. Diese Liste könnte man lange fortsetzen, auch ohne, dass man auf den zweifelhaften Umbau der Sicherheitsarchitektur blickt, wie er unlängst durch das neue Polizeiaufgabengesetz festgeschrieben wurde.
Alles das wären Themen die wirklich wichtig wären. Eigentlich wählen wir Politiker dafür sich dieser Themen anzunehmen und eben nicht um uns ständig in Spannung zu halten ob sie die Regierung platzen lassen oder nicht. Gerade diese Spannung ist international scheinbar der neue Politikstil. Politiker sollen nicht mehr langweilig und zielstrebig ihre Arbeit verrichten, sondern so viel Aufmerksamkeit in den Medien generieren wie möglich.
Ein Meister dieses neuen Politikstils ist Donald Trump. Gerade weil man nicht weiß, was er als nächstes tun wird, hat er die Aufmerksamkeit der Medien auf sich. Und in den Argumenten gegen Trump fällt man selbst über die eigene Zunge, weil es so viele gibt. Dadurch haben es dann auch seine Unterstützer einfacher die Gegner zu überhören, weil einzelne Punkte in der Masse untergehen. Hierzu hat der großartige amerikanische Intellektuelle Noam Chomsky eine passende Analyse geliefert. Er sagt, dass Donald Trump den US-Eliten alles gibt was sie brauchen. Sie können ihre Gewinne einfahren und müssen dabei keine Rücksicht auf das Klima nehmen. Sie können weiter hantieren wie sie wollen, Trump zieht die Aufmerksamkeit der Medien auf sich.
Ganz ähnlich könnte man die aktuelle Situation der Regierungskrise und des Diskurses betrachten. Bleibt nur noch die Frage: Wie kommen wir da raus?
Mein Vorschlag: Desinteresse für die Regierungskrise, Aufmerksamkeit für die tatsächlichen Probleme. Wir dürfen uns nicht ablenken lassen!
Deshalb, angelehnt an einen alten Spruch:
„Stell dir vor es ist Regierungskrise und kein Kameramann geht hin!“