200 Jahre Oktoberfest in der Monacensia

mon_flyerAnlässlich des 200. Jubiläums des Oktoberfestes eröffnete das Literaturarchiv Monacensia am 13. Juli 2010 seine Ausstellung „Vorstadtstenz & Wiesnbraut – Literarische Oktoberfestporträts aus zwei Jahrhunderten“.
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Das Oktoberfest erlebt in diesem Jahr zwar seinen 200. Geburtstag, es wurde aber tatsächlich nur 176 Mal gefeiert. In schwierigen Zeiten wie den beiden Weltkriegen, der Inflation 1923/24, den Nachkriegsjahren u.a. fand das Oktoberfest nicht statt.
Bildnachweis: Münchner Oktoberfest, Achterbahn, um 1929; Foto: Verlag und Bildarchiv Sebastian Winkle


Die Ausstellung zeigt anhand von literarischen Texten, historischen Fotografien und Originaldokumenten die Menschen, denen die Dichter und Schriftsteller auf dem Oktoberfest begegnet sein könnten: Wiesnbesucher, Schausteller, Kellnerinnen, Riesendamen, Exoten, Vorstadtstenze, Wiesnbräute und viele mehr.
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Linkes Foto: „Vorstadtstenz“, um 1910; Foto: Valentin-Karlstadt-Musäum
Rechtes Foto: „Wiesnbräute“, 1933; Foto: Verlag und Bildarchiv Sebastian Winkler
Die gezeigten Original-Dokumente und Abbildungen stammen größtenteils aus dem Besitz der Monacensia. Ergänzt werden sie durch historische Fotografien aus dem Verlag und Bildarchiv Sebastian Winkler und aus dem Karlstadt-Valentin-Musäum sowie durch historische Exponate aus dem Münchner Stadtmuseum.
Frau Dr. Elisabeth Tworek, die Leiterin der Monacensia und Kuratorin der Ausstellung, legt den Schwerpunkt auf die Lebensfreude, auf Lust- und Rauschgewinn, auf den Taumel der Sinne und die Hoffnung auf die Befriedigung der Sehnsüchte und die Erlösung der Gier auf Ablenkung aus dem Alltag.
Frau Tworek hat der Ausstellung den ersten Teil von Karolines Überlegungen „Man hat halt oft so eine Sehnsucht in sich …“ aus Ödön von Horváths „Kasimir und Karoline“ zur Seite gestellt. (Der Satz endet mit „– aber dann kehrt man zurück mit gebrochenen Flügeln und das Leben geht weiter, als wär man nie dabei gewesen.“)
Fotos aus dem Oktoberfesttrubel, Zitate aus Büchern von Ödön von Horváth, Oskar Maria Graf und vielen anderen gibt es zu erstöbern. Auf Monitoren werden Oktoberfest-Filmszenen gezeigt.
Die AusstellungsgestalterInnen Katharina Kuhlmann und Alfred Küng lassen die literarischen Zitate zum Oktoberfest in schwungvollen Textpfaden über die Wände der Räume floaten.
Ein wenig unstimmig wirkt die ausgestellte Szenerie. Aber wie ein Ausstellungsbesucher sagte: „Die ganze Wiesn ist nicht stimmig.“ Das Oktoberfest wird zu unkritisch dargestellt, ein paar (liebevolle) Hiebe auf das größte Bierfest der Welt hätten ein runderes Bild ergeben.
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Erika Mann, Liesl Karlstadt und ihre Schwester Amalie Wellano (v.r.n.l.) auf dem Oktoberfest, 1958;
Foto: Monacensia.Literaturarchiv

Oskar Maria Graf, selbsternannter „Provinzschriftsteller“ vom Starnberger See, erinnert sich in seinen autobiografischen Schriften an seine Begegnung mit der „wunderbaren Isis“ im Jahr 1908. Ödön von Horváth, der deutschsprachige Schriftsteller mit ungarischem Paß, war ein leidenschaftlicher Besucher von Volksbelustigungen. Auf dem Oktoberfest findet er 1930 den Stoff für sein Stück „Kasimir und Karoline“, das er ursprünglich „Achterbahn und Wiesnbraut“ nennen wollte. Der us-amerikanische Schriftsteller Thomas Wolfe fängt schwer betrunken in einem Bierzelt eine Schlägerei an und schildert seine Erlebnisse zehn Jahre später in seinem 1939 erschienenen Roman „Geweb und Fels“. Erika Mann liebte das Oktoberfest, über das sie 1929 schreibt „Die Festwiese, die größte, glaub ich, der Welt, ist herrlich anzuschauen, alle Münchner sind lustig, diese Stadt ist wie gemacht für Feste; feiert sie, zeigt sie ihr wahres Gesicht“. Während Thomas Mann in seinem „Doktor Faustus“ lediglich eine wochenlange „Monstre-Kirmes“ konstatiert, „wo eine trotzig-fidele Volkhaftigkeit ihre Saturnalien feierte“.
Der Volkssänger Karl Valentin unterhält nach dem Ersten Weltkrieg zusammen mit Bert Brecht eine Schaubude auf dem Oktoberfest und Herbert Achternbusch schlägt sich in den 1960er Jahren als Zigarettenverkäufer auf der Wiesn durch. Seine Erfahrungen verarbeitet er literarisch in seinem 1969 bei Suhrkamp erschienenen ersten Erzählband „Hülle“ und einige Jahre später in seinem legendären Film „Bierkampf“.

mon_taenzerinDie Ausstellung ist noch bis zum 19. November 2010 montags bis mittwochs von 9.00 bis 17.00 Uhr, donnerstags von 10.00 bis 19.00 Uhr und freitags von 9.00 bis 15.00 Uhr zu besichtigen.
Die Monacensia befindet sich in der Maria-Theresia-Straße 23.
Während des Oktoberfestes 2010 wird sich das Herzkasperl-Zelt als bewirteter Ort des Feierns und der Schaulust vom 7. September bis 4. Oktober 2010 täglich von 10.00 bis 19.30 Uhr mit einem vielfältigen Programm aus Literatur, (Kasperl-)Theater, Kabarett und junger Volksmusik präsentieren.
Mehr dazu unter: www.jubilaeumswiesn.de
Bildnachweis: „Varieté-Tänzerin“, 1920er Jahre;
Foto: Valentin-Karlstadt-Musäum



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Eine Woche zuvor – am 9. Juli – hatte das Münchner Stadtmuseum seine Ausstellung „Das Oktoberfest 1810–2010“ eröffnet. Mit staubigen Exponaten und einer dumpfen Grundstimmung kann sie mit der Monacensia-Ausstellung nicht mithalten.
Das Stadtmuseum handelt die Nazizeit mit zwei Exponaten ab, wovon eines die Büste des „Serienmörders“ Fritz Haarmann ist. Dem – die Feierlichkeiten störenden – 30. Jahrestag des  Oktoberfest-Attentats von 1980 wird auch nicht mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Ein großes Foto mit den Absperranlagen nach dem Attentat füllt eine Ecke eines Ausstellungraums. Sehr historischen Fahnen, Uniformen und Gemälden wird hingegen viel Raum gewährt.