Die Diktatur des Monetariats
Eine Sendereihe von und mit Buchautor Ulrich Seibert
Sendung am Mittwoch, 18.01.2023 um 21:00 Uhr.
Wer einen Putsch erfolgreich durchführen möchte, muss zunächst zwingend die strategisch wichtigen Stellungen besetzen und halten: Staatlichen Rundfunk und Fernsehen, Kasernen, Polizeipräsidien und so weiter. Das ist beim Putsch zugunsten eines neuen Wirtschaftssystems nicht anders. Denn eigentlich war Milton Friedman, der Vater des Neoliberalismus, ein Versager nach allen Regeln der Kunst. Seine Theorien haben schlichtweg von Anfang an nicht funktioniert. Im Jahr 1973 wurden sie an mehreren Fronten getestet. In Chile wurde nach Pinochets Putsch das erste experimentelle Labor für Neoliberalismus eröffnet, unter reger Beteiligung des Meisters höchstpersönlich und seiner Chicago Boys. Und hat es funktioniert? In gewisser Weise, ja, Chile ist heute Mitglied der OSZE, der wirtschaftliche Aufstieg übertraf die der anderen Länder in Südamerika. Aber zu welchem Preis? Zu dem Preis brutaler Gewalt und Unterdrückung, ohne die das „Experiment“ nicht lebensfähig gewesen wäre. Zu dem Preis unglaublicher Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen. Nur sehr wenige Personen profitierten also von der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes, die dafür aber exorbitant. Für den weitaus größeren Teil der Bevölkerung verbesserte sich gar nichts. Marktwirtschaft? Nicht wirklich, im Neoliberalismus geht es um das Gegenteil, um das Erreichen von Marktmacht, um sich dem Konkurrenzdruck gerade nicht mehr stellen zu müssen und auf die Weise stressfrei Profite maximieren zu können.
Das, was 1973 in Chile geschah, konnte man in weiten Teilen der Welt auch nicht gerade als populär bezeichnen, brutalen Diktatoren haftet halt gerade in westlichen Demokratien etwas Anrüchiges an. Ein weiteres, von der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbemerktes monetaristisches „Experiment“ gemäß der Lehre Friedmans in Deutschland im selben Jahr, ging ebenso in die Hose. Die Ölkrise bedrohte die Wirtschaft mit einer Stagflation, eine Situation, die die vorherrschende keynesianische Theorie expressis verbis nicht vorsah. Friedmans Monetarismus dagegen hielt ein Rezept parat, das die Bundesbank auch prompt ausprobierte: Die massive Erhöhung der damaligen Leitzinsen, Diskont- und Lombardsatz. Doch anders als von den Bundesbankern erhofft, löste diese Maßnahme die Krise nicht, sie verschärfte diese vielmehr eklatant. Als ob es nicht absehbar gewesen wäre, dass eine Menge Unternehmen, aber beispielsweise auch private Häuslebauer einerseits den Energiepreisschock, aber dann auch zusätzlich die deutlich gestiegenen Fremdkapitalkosten nicht würden stemmen können …
Unter normalen Umständen wäre Friedman damit erledigt gewesen. Doch es gab Kreise, organisiert beispielsweise in der Mont-Pèlerin-Society (MPS), die daran interessiert waren, den Gedanken des Wohlfahrtsstaats (der ihrer Überzeugung nach einseitig und unzulässigerweise auf den Schultern der Kapitaleigner lastete) unter allen Umständen aus den Köpfen von Politik, Wirtschaft und Lehre zu tilgen. Und so geschah es, mit kräftiger, verdeckter Unterstützung der MPS, dass dem gescheiterten MPS-Mitglied Friedman der sogenannte Wirtschaftsnobelpreis verliehen wurde, gerade mal zwei Jahre nach seinem österreichischen Kollegen Friedrich von Hayek, der genau ins selbe Horn blies. Derart geadelt, wurde Friedman zu einem angesehenen und respektierten Faktor in Forschung und Lehre und der Neoliberalismus trat, getragen von angesehenen Professoren und Instituten, seinen endgültigen Siegeszug an.
Wissenschaft und Lehre nehmen mithin also die strategische Schlüsselstellung ein, um dem rechtsextremsten Wirtschaftssystem seit der Leibeigenschaft zur Durchsetzung zu verhelfen, gleichzeitig ließen die Protagonisten sich zu Handlangern des Monetariats abqualifizieren. Kritik an diesem System und Widerstand gegen das System aus der Lehre selbst wurden unterbunden, Forschung und Lehre wurden selbst neoliberalisiert und Bildung wurde von einem zivilisatorischen Ideal als kostenfreie Basis für den „mündigen Bürger“, unabhängig von seiner Herkunft und seinen finanziellen Möglichkeiten, wahlweise zu einer Ware, einer Wirtschaftsressource oder einem Zukunftsmarkt umqualifiziert; Bildung wurde durchkommerzialisiert und … profitabel. Wenn auch eher nicht für die Gesellschaft …
Die drei Sendungen beschäftigen sich mit diesem Thema, wie genau das gemacht wurde.
In Teil 1 geht es um die ersten neoliberalen Maßnahmen, in erster Linie um die Drittmittelfinanzierung aus den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts, die dafür sorgten, dass Universitäten und Lehrstühle von privaten Kapitalgebern abhängig wurden und Forschung und Entwicklung damit quasi privatisiert wurden.
In Teil 2 hörten wir den Erfahrungsbericht eines Lehrstuhlinhabers mit dieser Reform aus der Sicht eines Betroffenen, nämlich Professor em. Dr. Dr. Helge Peukert von der Universität Siegen.
In Teil 3 – diese Sendung – wird Prof. Dr. Dr. Helge Peukert mich als Gastmoderator ersetzen und einen Kollegen, Prof. Dr. Richard Münch von der Zeppelin-Universität Friedrichshafen, zu den Auswirkungen der Neoliberalisierung, von der Drittmittelfinanzierung über die Bologna-Reformen bis hin zur Novelle des Bayerischen Hochschulgesetzes im letzten Jahr befragen.