Die Angst vor der Anhörung

Mittlerweile schon seit mehr als acht Tagen protestieren Geflüchtete aus Sierra Leone vor der Zentralen Ausländerbehörde in der Hofmanstraße 51 in München. Die Menschen übernachten zu einem großen Teil vor Ort. Hintergrund ist eine sierra-leonische Botschaftsdelegation, die extra eingeflogen wurde. Sie sollen Identitätsprüfungen durchführen – offiziell, um Menschen zu identifizieren, die nicht aus Sierra Leone kommen. Inoffiziell aber – und das ist die große Angst der Menschen – sollen die Anhörung durchgeführt werden, um nachzuweisen, dass die Menschen aus Sierra Leone kommen. Denn dann kann ihnen ein Pass ausgestellt werden und dann können sie abgeschoben werden. Lora-Mitarbeiter Jakob Mainz war auf dem Protestcamp und hat mit den Betroffenden gesprochen. Auch der Jurist und Asylrecht-Experte Dr. Franz Bethäuser kommt zu Wort.

6 Kommentare

  1. Sie kamen ohne Pass und stellten einen Asylantrag. Dieser wurde abgelehnt, sie konnten allerdings wegen Passlosigkeit nicht abgeschoben werden. Jetzt sendet Sierra Leone Beamte, um Pässe für die Staatsangehörigen auszustellen und genau dagegen wenden sich die Menschen, weil sie, zurecht, eine Abschiebung fürchten. Es kann nun nicht sein, dass jemand absichtlich und mit Kalkül verhindern will, dass ein Pass ausgestellt wird um eine Abschiebung zu vermeiden. Es wurde festgestellt, dass diese Menschen kein Asyl oder einen anderen Schutzstatus erhalten und das Verfahren ist durchweg abschlägig beurteilt worden. Sie müssen ausreisen, tun es aber nicht. Soll das jetzt mit einem Bleiberecht belohnt werden, weil sie sich dagegen wehren, einen Pass zu erhalten? Nicht falsch verstehen: ich kann verstehen, dass sich niemand freut, wenn Träume zerplatzen, aber das Asylrecht basiert nun einmal nicht auf die Erfüllung von Träumen, sondern schützt diejenigen, die vor Krieg oder persönlicher Verfolgung fliehen und dazu gehören die allermeisten aus Sierra Leone nicht!

    • Liebe Frau Weissig,
      ich verstehe Ihr Argument. Nun gibt es hierbei allerdings einige Probleme. So werden Homosexuelle in Sierra Leone verfolgt, gedemütigt und mit Haftstrafen bis zu lebenslanger Dauer bestraft, weshalb der EuGH 2013 Homosexualität als Asylgrund anerkannt hat. Falls solch eine Verfolgung vorliegt wäre es fatal für Betroffene direkt mit den verfolgenden Behörden zusammen zu arbeiten. Dieses Argument gilt sicherlich nur für eine Minderheit, ist aber dennoch in jedem Fall ein großes Problem.
      Für alles weitere gebe ich persönlich Ihnen Recht: Das Asylrecht ist hierfür nicht der richtige Weg. Die Möglichkeit über Integration, Qualifikation und auch Dauer (Kinder hier geboren, Lebensschwerpunkt seit Jahren hier) ein Bleiberecht bis zur Staatsbürgerschaft zu erhalten, sollte unabhängig von Asylgründen möglich sein. Was jetzt gerade läuft ist dagegen die Aufforderung sich willentlich an der Zerstörung des eigenen Lebens zu beteiligen.

      • Lieber Fabian,
        man kann es so sehen. Aber dass der Schwerpunkt des Lebens seit Jahren hier ist, liegt schlicht daran, dass aufgrund des fehlenden Passes keine Abschiebung stattfinden konnte. Und…es ist möglich, ein Bleiberecht zu bekommen: mit einem Arbeitsvisum! Das beeinhaltet allerdings recht hohe Anforderungen, die die meisten aus Sierra Leone nicht erfüllen und es gibt keine monetären und sozialen Hilfen nach der Ankunft in Deutschland. Noch mal: ich kann jeden verstehen, der auf der Suche nach einem besseren Leben ist, trotzdem haben wir hier Gesetze und diese Gesetze machen Sinn. Wir unterstützen und fördern diejenigen, die vor Krieg und Verfolgung flüchten mussten, auch über Jahre. Asyl und Bleiberecht sind für Armutsflüchtlinge ausdrücklich ausgeschlossen und das ist auch richtig so, ansonsten müssten wir die halbe Welt aufnehmen. Diejenigen, die hier demonstrieren, wollen ihr Bleiben erzwingen und zwar durch Weigerung, die Identität zweifelsfrei feststellen zu lassen und einen Pass zu erlangen. Das kann keinen Erfolg haben, den kein Staat lässt sich so vorführen…..

    • Hallo Marita Weissig,
      Ich gebe ihnen insofern Recht, als dass die grundsätzliche Rechtslage in dem Beitrag zu kurz kam. Ja, die rechtliche Grundlage ist die, dass viele der Protestierenden keine offizielle Aufenthaltsgenehmigung haben. Rein rechtlich ist das so.
      Aber politisch ist das Ganze höchst fragwürdig. Wieso haben die Menschen aus Sierra Leone kein Recht hier zu sein? Nicht nur Homosexuelle werden verfolgt, es gibt dort die Tradition der weiblichen Genitalverstümmelung. Regime-Kritische werden verfolgt usw.
      Und wieso dürfen diese Menschen jahrelang eine Ausbildung machen und in die Schule gehen und müssen dann plötzlich „gehen“? Und wieso werden die Menschen nicht rechtmäßig aufgeklärt, was in und nach der Anhörung passiert? Und Menschen anhand von körperlichen und sprachlichen Merkmalen eine Nationalität zuzuweisen: darf eine Behörde einen solchen Rassismus an den Tag legen? Und wieso können diese zum größten Teil jungen Menschen, die Lust haben zu arbeiten, alles hinter sich gelassen haben und sich hier etwas aufbauen möchten nicht sichtbarer Teil unserer Gesellschaft werden?
      Wenn die Menschen politisch-moralisch ein Recht haben, hier zu sein, dann gibt es jetzt die Hoffnung, dass nachträglich auch rechtlich zu legitimieren.

  2. Viele der Betroffenen aus Sierra Leone bekommen die Leistungen nach dem Asylbewerber Leistungsgesetz (AsylbLG) nur noch in Form von Gutscheinen zum Einkauf von Essen – zweiwöchentlich im Wert von ca. 83 EUR.
    Es ist zynisch, von solchen Menschen zu verlangen, einen Pass aus Freetown zu besorgen. Die Kosten liegen inkl. DHL Express bei ca. 500 EUR. Oder einen Anwalt zu beauftragen. Anwälte arbeiten weder in Deutschland noch in Sierra Leone umsonst.
    Seit September 2015 unterstützte ich junge Menschen aus Sierra Leone. Sie und auch ihre Familien in Sierra Leone, so sie diese nicht durch den Bürgerkrieg oder Ebola verloren haben, sind total verzweifelt. Man sollte ein Buch schreiben über ihre Schicksale.
    Empathie und Menschlichkeit tun not …
    Danke sehr für diese an Aufklärung interessierte Sendung!

  3. Die Argumente in diesem Beitrag sind total widersprüchlich. Die Leute benötigen einen Pass, um ein Bleiberecht zu bekommen, um legal arbeiten zu dürfen. Die Botschaft Sierra Leones kann aber keine Pässe ausstellen, da sie nicht feststellen darf, ob jemand tatsächlich Sierra Leoner ist. Nun reist extra eine Delegation aus Sierra Leone an, um diese Dienstleistung zu ermöglichen, und man möchte nicht kooperieren. Bei manchen kann es dann dazu führen, dass sie abgeschoben werden, wenn es keinen Bleibegrund gibt. Anderen aber würde es die Möglichkeit bieten, Ihren Aufenthalt endlich zu legalisieren. Dieser Beitrag führt leider nicht dazu, die Sache ausfzuklären

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