Die Diktatur des Monetariats
Eine Sendereihe von und mit Buchautor Ulrich Seibert
Sendung am Mittwoch, 19.07.2023 um 21:00 Uhr.
In Teil 3 der Trilogie über Politiker*Innen als Handlanger des Monetariats möchte ich gerne einen Blick über den großen Teich werfen, nämlich nach Peru. Im Dezember letzten Jahres wurde über Ausschreitungen im ganzen Land berichtet, die ausgebrochen sind, nachdem der bis dato amtierende (demokratisch gewählte) Präsident Pedro Castillo verhaftet und bislang ohne Gerichtsverfahren weggesperrt wurde.
Über die Hintergründe, also die Fragen
- Wer hat den Präsidenten verhaften lassen?
- Was hatte dieser sich zuschulden kommen lassen?
- Welche Teile der Bevölkerung sind darüber aus welchen Gründen so erbost?
- Was ist der politische und ökonomische Hintergrund, vor dem sich das abgespielt hat und immer noch abspielt?
- Wie sieht die verfassungsrechtliche Seite aus?
- Wer zieht im Hintergrund welche Fäden?
… schweigen sich die sogenannten Leitmedien gerne aus, wie bereits bei den Unruhen in Chile ab 2019, bei denen den Chilen*Innen gern süffisant unterstellt wurde, dass sie diese Unruhen wegen einer „lächerlichen“ Preiserhöhung von wenigen Cent beim öffentlichen Nahverkehr losgetreten hätten – ein klassischer Fall von tendenziöser Miss-Information. Dabei ist diese Frage für uns potenziell von hoher Bedeutung. Chile wie auch Peru sind bereits deutlich früher durchneoliberalisiert worden als Deutschland und die dortigen Zustände könnten durchaus – sicherlich mit Modifikationen – zur Blaupause eines ultra-neoliberalen Systems auch bei uns werden.
Die Situation in Peru ist in etwa diese: „Die Politik“ wurde als Machtfaktor weitgehend ausgeschaltet, die Parteienlandschaft ist ausgesprochen instabil und, von wenigen Ausnahmen abgesehen, gibt es im Wesentlichen nur dediziert neoliberal ausgerichtete Parteien oder … rechtsextreme – eine Entwicklung, die sich hierzulande ebenfalls anzubahnen scheint, wenn man sich die Ergebnisse der aktuellen Sonntagsfragen ansieht, bei denen die AfD bereits um die 20% liegt und die LINKE nicht mehr im Bundestag vertreten wäre. In Chile gibt es immerhin noch eine traditionell starke gewerkschaftliche Bewegung, doch diese fehlt in Peru beinahe ganz. Somit ist eine organisierte Opposition gegen die herrschenden Machtverhältnisse dort quasi nicht-existent. Die meisten Aspekte der Daseinsvorsorge wurden privatisiert und befinden sich jetzt in der Hand von zumeist Monopolen. Was noch dem öffentlichen Sektor verblieben ist, Schulen, wenige Hochschulen, einige wenige Krankenhäuser, eine rudimentäre Rentenversicherung etc. pfeift aus dem letzten Loch. Militär und Polizei bilden die Ausnahmen von der Regel, denn beide werden gebraucht, um bei Unruhen schnell mit der ganzen Härte der Staatsgewalt eingreifen zu können, wie sich seit Ende 2022 immer wieder zeigte. Mindestens 70 Protestierende wurden im Zuge der Ausübung dieser Staatsgewalt ermordet.
Die wirklich wichtigen Entscheidungen werden von multinationalen Konzernen und Superreichen getroffen, das eigentlich reiche Land wurde zu einer Selbstbedienungstheke für diese Gruppen umgebaut. Und regt sich Protest, wird hart durchgegriffen. Das könnte das Vorbild eines neoliberalen Staats weltweit sein, denn weltweit schreitet der Abbau von Demokratie und Menschenrechten konsequent und munter voran.
Es war schwierig, diese Sendung überhaupt machen zu können, denn ohne Menschen, die wissen, was da genau in Peru abläuft, die über tiefere Einblicke verfügen, kann man eigentlich immer nur an der Oberfläche kratzen oder mutmaßen. Doch das hat mir nicht ausgereicht und die Leute, die ich kannte und/oder angesprochen habe, hatten letztlich eine extrem hohe Scheu davor, sich öffentlich zum Thema zu äußern.
Doch schließlich lernte ich eine in Deutschland lebende peruanische Menschenrechtsaktivistin, gleichzeitig Vorsitzende des Vereins Kusikuna e.V., namens Karen Luna kennen, die nicht nur gut über die Vorgänge in Peru Bescheid wusste, sondern die auch deutsch spricht.
Doch auch ihre Kenntnisse über diverse Hintergründe und vor allem über kritische verfassungsrechtliche Fragen waren begrenzt, doch durch Beziehungen zu peruanischen Politiker*Innen konnten auch diese Lücken geschlossen werden. Sie hat ein Interview per Video-Chat mit der linken peruanischen Politikerin Indira Huilca Flores organisiert und bis tief in die Nacht an Transkription und Übersetzung mitgearbeitet. Dafür gilt ihr mein ganz spezieller Dank.
Somit freue ich mich, euch Einblicke in das Schmierenstück Neoliberalismus geben zu können, die auf anderem Wege nur sehr schwer zu erlangen wären.