Die Taktiken der neoliberalen Akteure; Lobbyismus, Teil 3: Die Kanäle des Lobbyismus

Die Diktatur des Monetariats - Die Taktiken der neoliberalen Akteure - Lobbyismus, Teil 3: Die Kanäle des Lobbyismus
Die Diktatur des Monetariats - Die Taktiken der neoliberalen Akteure - Lobbyismus, Teil 3: Die Kanäle des Lobbyismus

Die Diktatur des Monetariats

Eine Sendereihe von und mit Buchautor Ulrich Seibert
Sendung am Mittwoch, 21.2.2024 um 21:00 Uhr.


Lobbyismus – der Klang dieses Begriffs hat etwas Verruchtes – und wie wir in den ersten beiden Sendungen gehört haben, nicht ohne Grund. Sicher, Lobbyismus ist prinzipiell eine wichtige Komponente einer funktionierenden Demokratie, denn er dient dem Informationsaustausch zwischen Interessensgruppen innerhalb der Bevölkerung einerseits und politischen Entscheidungsgremien andererseits. Das ist wichtig, denn einzelne Politiker*Innen haben kaum das Fachwissen, um alle Auswirkungen einer politischen Entscheidung auf alle Betroffenen abschätzen zu können, und das beginnt bereits in der Kommunalpolitik. Sicher klingt es beispielsweise erst einmal gut, wenn eine Gemeinde neue Wohnungen bauen lassen will. Aber das kann sich rasch relativieren, wenn andere Kapazitäten der Gemeinde mit dem Plus an Wohnraum nicht mithalten können, wenn beispielsweise Schulen oder Kindergärten keine freien Kapazitäten mehr haben oder das Abwassersystem an seine Grenzen stößt und nicht erweitert werden kann. Oder wenn diese Wohnungen nur prestige- und profitträchtige Luxusobjekte werden und wieder mal kein bezahlbarer Wohnraum entsteht. Oder wenn diese Anlage auf einem schützenswerten Biotop erbaut werden soll. Et cetera, et cetera. All diese Aspekte bringen Lobbygruppen in den politischen Entscheidungsprozess ein. Oder, besser gesagt, sie versuchen es.

Doch es gibt zwei Klassen von Lobby-Gruppen, die einen, die aus politischem Engagement heraus versuchen, Dinge in die aus ihrer Sicht richtige Richtung zu lenken, wie diverse Verbände oder NGOs. Und dann gibt es da die Profit-Lobbyisten, wie mein erster Studiogast, der ehemalige Bundestagsabgeordnete (SPD, später: DIE PARTEI) und Autor Marco Bülow, sie nennt. Die einen haben normalerweise nur sehr geringe Kapazitäten, um Lobbyismus zu betreiben, die anderen sitzen auf reichhaltigen Ressourcen, die sie nutzen können, um politische Entscheidungsträger*Innen nachhaltig zu bearbeiten, aber auch, um ihnen finanzielle und andere Vergünstigungen (wie beispielsweise hochdotierte Posten in einem Aufsichtsrat) zukommen zu lassen. Allein diese Unterschiede führen dazu, so Bülow, dass sich der Lobbyist mit den größeren Ressourcen regelmäßig durchsetzt. Dies wiederum führt zu einem dermaßen starken Ungleichgewicht zwischen den einzelnen Interessensgruppen, dass von echter Demokratie tatsächlich kaum mehr gesprochen werden kann, wenn Politik käuflich wird.

Marco Bülow
Bild: Radio Lora (gemeinfrei); Marco Bülow, ehemaliger Bundestagsabgeordneter, Autor und Lobbyismus-Experte.

Verschlimmert wird diese Situation, wenn politische Mandatsträger*Innen bereits von Anbeginn ihrer politischen Karriere an darauf vorbereitet werden, ihr Mandat als eine Art Investment zu sehen. Dies ist regelmäßig der Fall in den USA, denn die Kandidat*Innen müssen ihren Wahlkampf dort aus eigener Tasche finanzieren. Bedeutet, sie müssen entweder sehr reich sein, wie beispielsweise Donald Trump oder laut Bundeszentrale für politische Bildung auch fast 50% der Kongressabgeordneten, die jeweils Millionen auf ihren Konten haben. Oder aber, sie müssen sich das Geld von Sponsoren besorgen. Und die wiederum fördern überwiegend Kandidat*Innen, von denen sie die Erfüllung ihrer politischen Wünsche erwarten dürfen. Aber die USA sind ja nicht Deutschland. Hier werden Wahlkampfkosten zu einem großen Teil vom Staat übernommen und den Rest zahlen die Parteien aus ihren Einnahmen. Ist doch so, oder? Naja, fast. Insbesondere die Union, also CDU und CSU, haben zumindest bei den Direktkandidaten (Erststimme) das deutsche Wahlsystem in Bezug auf den Eigeneinsatz von Finanzmitteln amerikanisiert. Und Wahlkampf ist nicht billig, zwischen 30.000 € und 70.000 € muss man hierzulande schon pro Kandidat*In in aussichtsreicher Ausgangsposition veranschlagen. Somit müssen bei der Union die Direktkandidat*Innen sehr vermögend sein … oder sich eben Sponsoren suchen. Auch dies könnte man als eine Demontage der Demokratie ansehen, denn bei Kandidat*Innen, die im Wahlkampf Schulden monetärer oder auch ideeller Natur gemacht haben, kann kaum völlig ausgeschlossen werden, dass sie den Wünschen von finanzstarken Unterstützern mehr Aufmerksamkeit schenken, als den Interessen potentieller Wähler*Innen, die nicht oder nur in kleinem Maße den Wahlerfolg unterstützen können. Wir haben die CSU zu dieser Praxis übrigens um eine Stellungnahme gebeten, ob und inwieweit die Partei sich der Problematik dieser Praxis bewusst ist, aber bislang keine Antwort erhalten.

Aber auch andere Parteien sind in Sachen Lobbyismus durchaus auch anfällig dafür, das Transparenzgebot mal etwas weiter auszulegen, dabei sei beispielsweise an die Gespräche des früheren SPD-Vorsitzenden und heutigen Stahllobbyisten Sigmar Gabriel im Bundeskanzleramt erinnert.

In dieser Sendung geht es um die Kanäle des Lobbyismus. Davon habe ich vier unterschiedliche ausgemacht:

  1. die ganz offiziellen Kanäle, beispielsweise der Informationsaustausch in Anhörungen oder die Gespräche von Abgeordneten, die dem Informationsaustausch in einer Sache dienen.
  2. die inoffiziellen Kanäle, die sich von den offiziellen dadurch unterscheiden, dass sie das Transparenzgebot unterlaufen, denn diese finden außerhalb der Wahrnehmung der Öffentlichkeit statt. Bei solchen Treffen kann, weil es ohne Transparenz auch keine Kontrolle geben kann und damit natürlich auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass es nicht nur um den reinen Informationsaustausch geht, sondern direkte Politikbeeinflussung versucht wird – es im schlimmsten Fall also zu Korruption kommt.
  3. Die Kaperung der Wissenschaft durch neoliberale Akteure. Wir haben in vorangegangenen Sendungen bereits herausgearbeitet, dass insbesondere durch die Einführung der Drittmittelfinanzierung an den Hochschulen Forschung und Lehre privaten Marktinteressen untergeordnet wurden. Damit sind wissenschaftliche Erkenntnisse, an denen politische Entscheidungsträger*Innen sich bei ihren Entscheidungen zu orientieren haben, bereits durch private Interessen finanzkräftiger Akteure „kontaminiert“ (vgl. z.B. die Sendung von Januar 2023).
  4. Öffentlichkeitsarbeit, ein indirekter Kanal, durch den die Stimmung der Öffentlichkeit unmittelbar beeinflusst werden soll, was wiederum bewirken soll, Druck auf politische Entscheidungsträger*Innen auszuüben.

Eine Unterart von 4. ist das sogenannte Deep Lobbying. Dabei werden politische Botschaften oder Ideologien, insbesondere zu den Themen Krieg, Wirtschaft (Neoliberalismus) oder Werte in Unterhaltungsformaten „versteckt“, also beispielsweise in TV-Serien, in Kinofilmen und in Computer- oder Video-Spielen. Über dieses spannende Thema unterhalte ich mich mit einem Kommunikationswissenschaftler, der sich ausführlich mit dieser Thematik beschäftigt hat, nämlich mit Prof. Dr. Holger Pötzsch von der arktischen Universität Tromsø in Norwegen.

Prof. Dr. Holger Pötzsch mit Ulrich Seibert im Studio 2 von Radio Lora
Bild: Radio Lora (gemeinfrei); Prof. Dr. Holger Pötzsch mit Ulrich Seibert im Studio 2 von Radio Lora
„Die Diktatur des Monetariats – die Taktiken neoliberaler Akteure – Lobbyismus, Teil 3: Die Kanäle des Lobbyismus“ – Dauer: 47 Minuten, 4 Sekunden
Über Ulrich Seibert 40 Artikel
Redaktion "Die Diktatur des Monetariats"